Dortmund. . Das Stück kann auch eine ziemlich platte Klamotte sein. An Dortmunds Oper liefert Regisseur Christian Tschirner jetzt aber ein gutes Beispiel dafür, wie man das alte Belcanto-Schätzchen „L’Elisir d’Amore“ mit Tiefgang (und Witz) auf die Bühne bringen kann.

Ein malochendes Kerlchen mit Feinripp-Unterhemd und nicht ganz sauberem Hals: Ausgerechnet ihm sollen Weiberherzen zufliegen und lauschen, wenn er die berühmte „furtiva lagrima“ besingt? Ja, so macht uns ein Placebo zum Domingo. Sehr fein, zu sehen, wie Dortmunds Oper Donizettis „Liebestrank“ in Szene setzt.

Weder macht es sich Regisseur Christian Tschirner in der Puppenstube gemütlich, noch treibt er als Radikaldeuter der Belcanto-Komödie von 1832 den Spaß aus. Es ist ein starker Abend, dieser Dortmunder „Liebestrank“, Opernfreunde sollten ihn auf dem Zettel haben.

„Bauer sucht Frau“

Es bleibt Schwerstarbeit, diese Klamotte zu bändigen. Die Handlung ist „Bauer sucht Frau“. Bauer findet auch, doch siedelt dieser Nemorino im Italien der Stände für die edle Adina (gutes Herz, aber auch das Merkantile im Blick) Etagen zu tief. Da kommt der titelgebende Zaubertrank gerade recht. Doch ist die Medizin des Quacksalbers Dulcamara der schiere Bluff. Sie macht nichts, nur besoffen. Den Lauf der Dinge (Nemorino erbt plötzlich) beflügelt es aber doch.

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Was tun mit der Clowneske der Gefühle? Tschirner macht keinen Hehl daraus, dass all’ dieses Sehnen nicht auf einer Insel der Glückseligen zu Hause ist. Aljoscha Begrichs Bühne ist eine Trutzburg aus Holzpaletten für den Obsttransport. Wer wagt die Zinnen dieses Landarbeiter-Ghettos zu überwinden, wenn einen Kontrolleure schon wegen illegalen Aufenthalts verprügeln? Selbst die Rosen, mit denen Nemorinos Konkurrent Belcore um sich wirft, sind teuer erkauft – ein Fabrikprodukt unter Neon, auch sie.

Fantastisch der Chor - in Spiel und Gesang

Solche kapitalismuskritischen Kommentare stehen dem sinnig-sinnlichen Abend gut. Pralles Theater hält er trotzdem bereit. Lange hat man den Chor nicht so individuell geführt gesehen. Wie in jedem Gesicht von Alt bis Sopran das Gerücht vom Geldregen Funken von Fantasie schlägt, ist szenisch wie sanglich großartig.

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Es ist kein Abend nur zum Brüllen, denn er nimmt das Komische ernst. Tschirners „Liebestrank“, das sind kleine Geschichten vom Arbeiterglück (Betriebsfest mit Lampions und schiefem Schlagzeug), von der Sehnsucht nach dem Anderen, von Abhängigkeit und Aufbegehren. Klamauk ist darum nicht verboten. Wie der quacksalbernde Riese (Christian Sist mit hellem, beweglichen Bass) seinem Kleinst-Wagen entsteigt, ist eine Perle der Situationskomik.

Ein Tenor, der die Herzen erreicht

Es lassen sich ebenfalls sehr gut hören: Julia Amos’ noch in den Spitzentönen beseelt timbrierte Adina und Lucian Krasznecs Nemorino - kein Mordstenor, aber ein Sänger, der die Herzen als sensibler Gestalter erreicht. Gerardo Garciacano Belcore missglückt gleich sein erster Einsatz — er findet danach nicht mehr zu großer Form. Schade um seinen eleganten Kavaliersbariton.

Dortmunds Philharmoniker bestechen mit einer betörend warmen Klangkultur. Aber ob der geschätzte Motonori Kobayashi gut daran tut, Donizettis pralle Effekt-Parade mit derart kontrollierter Noblesse zu dirigieren, wird man fragen dürfen.

Termine: 12., 28.4; 3., 18.5; 21., 29.6; 12.7. Karten 0231-5027222