Dortmund. . Monteverdis „Krönung der Poppea“ steht als Patin an der Wiege des Musiktheaters. Das bedeutende Werk ist jetzt in Dortmunds Opernhaus zu sehen. Musikalisch ein beachtlicher Abend, der Inszenierung des Intendanten fehlt allerdings sichtlich der große Atem.

Ein Kunstgriff, gewiss – aber nebenbei auch ein Weg, die beängstigend schwache Auslastung umzumünzen: Die aktuellste Inszenierung des Dortmunder Opernhauses verfügt mit unter 300 Zuschauern über kaum ein Viertel der üblichen Platzkapazität. In Monteverdis „Krönung der Poppea“ sitzt man nämlich auf der eigentlichen Bühne (Mathis Neidhart), Arenenpublikum, Aug’ in Aug’, mit denen, die sich begehren oder zerfleischen.

Das antike Zitat sitzt. Monteverdi (1567 - 1643) war ein Pionier in musikalischer Historienmalerei, Kaiser Nero sein nicht sonderlich sympathischer Held – und Neros Geliebte titelprägend: Poppea, opernüblich vergeben an einen anderen.

Das Schicksal als Laborversuch der Götter

Dortmunds Opernintendant Jens-Daniel Herzog hat die Neuinszenierung zur Chefsache gemacht – und forciert die menschlichen Irrungen als göttliches Planspiel. Fast nackt wanken Helden und Verräter, Boten und Kurtisanen über den langen roten Teppich der zwei goldene Tempelportale verbindet. Kostüme, Waffen und wohl auch Gefühle sendet erst der Bühnenhimmel. Das Schicksal kommt als Laborversuch von oben.

Das ist nicht ohne Charme, baut eine Brücke von einer längst vergangenen Welt, der alles Vorbestimmung war, zu unseren Augen. Die misstrauen einer wüsten Geschichte, die heute wohl zur Telenovela würde: Chef (verheiratet) liebt Frau eines erfolgreichen Mitarbeiters. Es folgen Ränke, Tode, Lügen, Täuschungen. Für Nero und Poppea geht es sogar gut aus, sie werden ein Paar, göttergleich. Und göttergleich schließen sie Herzogs Konzept: Das Personal da unten hat seine Schuldigkeit im Planspiel getan, es wird verbrannt.

Den glänzenden Rahmen füllt Herzog in drei langen Stunden unter Mühe. Mag man ihm ein Füllhorn an Ideen attestieren: Einen großen Atem hat dieser Abend nicht. Es sind vielmehr lauter kleine, ans Banale grenzende Seufzer, nah an der künstlichen Beatmung.

Barock im Mätzchen-Mixer

Denn leider ist der Regisseur bei der Wahl seiner Mittel nicht sonderlich wählerisch. Mit diesem Mätzchen-Mix aus Transen-Gags, deutschen Postboten, Pfefferspray, Käsegebäck und Abziehbildern sektsüppelnder Society-Zombies schießt man seit Jahren von Mozart bis Millöcker so ziemlich alles bühnenreif, was nicht bei Takt drei auf dem Baum ist. Ebenfalls wenig beflügelnd wirken deutsche Übertitel, die in ihrer spätpubertären Flottheit („Scheiß-Nero, Scheiß-Poppea, Scheiß-Militär“) geradezu jämmerlich ranschmeißerisch wirken.

Schmelz und Jubelklänge

So bleibt das Lob der Musik: Fausto Nardi lässt eine kaum 20-köpfige Besetzung der Dortmunder Philharmoniker (plus Barock-Gäste) pulsen, schmelzen, jubilieren; streng und schön klingt das. Und ein in vielen Partien glänzendes, junges Dortmunder Ensemble schlägt sich wacker bis fabelhaft. Christoph Strehls Nero, Eleonore Marguerre (Poppea) und Ileana Mateescu als ausgebremster Gatte Ottone führen die beeindruckende Sängerriege souverän an.

Fast kann man diese Helden anfassen, so dicht setzt uns Jens-Daniel Herzog ans Geschehen. Selten war man Sängern so nah – und doch: den Schicksalen, von denen sie singen, so fern.

Termine im Dezember: 7., 13., 22., 30. Im Januar: 20. und 25. Karten (29€) unter Tel. 0231-5027222