Düsseldorf. . Die Kunstsammlung NRW zeigt auf über 3000 Quadratmetern 160 Plastiken und Skulpturen von 53 Künstlern, die an der Düsseldorfer Akademie gelehrt oder studiert haben. Eine Schule gibt es nicht. Aber eine kollektive Kunstmarktlückensuche. Und einen Eindruck von der Stilvielfalt, die sie hervorbringt.
Gerhard Richter, der wohl prominenteste lebende Maler weltweit, hat in dem imposanten Gebäude an der Rheinpromenade vier Semester studiert und später noch 22 Jahre als Professor gelehrt. Und in der Fotografie hat die Düsseldorfer Kunstakademie die vielberaunte und noch besser bezahlte „Becher-Schule“ hervorgebracht. Erst recht aber wird man sagen können, dass es sich bei der 1773 gegründeten Akademie um eine Bildhauerschmiede erster Güte handelt.
Einen beeindruckenden Beleg dafür zeigt ab Mittwoch die Düsseldorfer Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz in drei großen Sälen: Gut 130 raumgreifende Werke von 53 Künstlerinnen und Künstlern auf über 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche lassen sich vor allem als Muskelspiel einer echten Größe im Kunstbetrieb lesen. In Frage gekommen wären nämlich über 150 Bildhauer, die an der Akademie seit Ende des Zweiten Weltkriegs studiert und gelehrt haben.
Schon der Auftakt zeigt Gegensätze: Ewald Mataré, der erste Akademie-Rektor der Nachkriegszeit, modelliert noch Menschen und Kühe in sanft fließenden Formen. Seine Meisterschüler Joseph Beuys und Erwin Heerich aber entwickeln ganz andere Positionen: Der eine begreift gleich die ganze Gesellschaft als Plastik (auch wenn Beuys anfangs noch geschmeidig seinem Lehrer nachstrebt, wie ein früher Frauentorso von 1948 offenbart); der andere sucht sein Heil in der Geometrie, in der Abstraktion, weit weg von Mataré.
Uecker, Lüpertz, Cragg und Trockel
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Überhaupt ist diese Ausstellung stark, wo sie gegeneinander stellt, Kontraste bildet: Die schwarze Mega-Maus von Katharina Fritsch, die den weißen Mann unter der Bettdecke plättet, und ein lindwurmartiges Riesenlabyrinth aus Holz, das Richard Deacon filigran und monströs zugleich gezimmert hat. Oder Günther Ueckers „Barrikade“ aus gigantischen Nägeln und die kühlschönen Licht- und Spiegel-Stelen von Heinz Mack, neben denen der gewollte Grobianismus der Malerbildhauer Lüpertz, Penck und Immendorff fast wie fahrlässige Halbfertigkeit wirkt.
Derlei Gegensätze haben ihren Grund: Anders als heute, da es Künstler oft nach Berlin zieht, blieben sie früher nach ihrer Akademie-Ausbildung gern im Rheinland: „Die hohe Dichte von Künstlern hier in Düsseldorf“, sagt der amtierende Akademie-Rektor Tony Cragg, „hat zu Konkurrenz geführt. Und alle dazu gezwungen, ihre Position sehr präzise zu bestimmen.“ Profanere Geister sähen da eine Kunstmarktlückensuche.
Cragg, der die Schau als Bildhauer (der mit drei Werken in der Ausstellung vertreten ist) gemeinsam mit der Kunstsammlung NRW ins Werk gesetzt hat, spricht von einem „sehr radikalen Umgang mit dem Material“, das allen Bildhauern gemeinsam sei. In der Tat, wie Bogomir Ecker mit seiner gut zwölf Meter hohen, knallroten „Marionette“ aus Stahl den Grabbesaal des Museums neu auslotet, das ist so radikal wie die rostige Fünf-Meter-Sitzbank aus Eisenguss von Rosemarie Trockel, wie Thomas Schüttes ebenfalls brandneue Riesenschrundschädel („4 Fratelli“) oder das Gen-Wunder „Misfit“ von Thomas Grunfeld, eine natürlich wirkende Kreuzung aus Königskranich, Biber und Strauß. Manchmal aber tut es auch das Schlichte: Reiner Ruthenbecks Plastik aus zwei unauflöslich ineinander verschränkten Leitern, die frei im Raum steht, hat es nicht nur in die Ausstellung, sondern auch aufs Plakat geschafft.