Bayreuth. Mutige Kombi: Die unkonventionellen Wiener Blechbläser „Mnozil Brass“ treffen ein deutsches Komponistendenkmal. Ein Interview über den Richard-Wagner-Abend, mit dem das Ensemble derzeit auch in Nordrhein-Westfalen tourt.

Mutig: Die Stadt Bayreuth hat zum 200. Geburtstag Richard Wagners ausgerechnet „Mnozil Brass“ um einen Glückwunsch gebeten. Dabei sind die Österreicher nicht gerade konservative Gralshüter. Über Wagner und wie man ihm sich zwischen Klang-Kabarett und Respekt nähert, sprach Lars von der Gönna mit Leonhard Paul, einem der „angewandten Blechmusiker“.

Hatten Sie Lust, als Bayreuth rief?
Wir haben, wie immer, sofort freudig „Hier!“ gebrüllt. Auch weil wir gedacht haben: Da ist ja alles schon da, da braucht man eigentlich nur noch Wagner zu spielen.

„Wagner - sein Geld, seine Frauen...“

Aber es ist doch etwas anderes, etwas mehr geworden?

Ja, wir haben schnell gemerkt, dass es nicht reicht, „Meistersinger“ oder „Lohengrin“ nur auf Mnozil-Brass-Art zu spielen. Nun ist es ein szenisches Projekt auf vier Säulen geworden: Eine ist Wagner als Person – sein Geld, seine Frauen, die Mächtigen. Dann Wotan, Siegfried und der Grüne Hügel.

Siegfried, Wotan: Opernhelden, Operndenkmäler?

Ja, man hört diese Namen und meint, man kenne all das sehr genau. Aber man merkt schnell, wie wenig wir eigentlich substanziell über Wagners Figuren wissen. Die meisten Menschen sagen: „Wagner, ja, ja, kenn ich alles!“ Aber in Wirklichkeit ist das Schaffen dieses berühmten Deutschen den meisten kaum bekannt. Das hat sich in Umfragen bei Freunden und Bekannten bestätigt. Aber man fragt sich: Warum tut jeder, als wisse er Bescheid?

Ja warum denn, Herr Paul?

Schwer zu sagen. Vielleicht ist es gerade das Nicht-Greifbare, das ihn interessant macht, diese fabelhafte, göttliche Welt, die aber natürlich Menschenwerk ist. Wagner eben.

„Diese hochromantische Musik provoziert“

Wieso wird er so oft parodiert?

Wir haben keine vorsätzliche Parodien geschrieben. Aber diese hochromantische Musik, die den Jahrhundertwende-Wahnsinn ahnt, die provoziert natürlich. Aber selbst wenn man parodiert, braucht man immer ein Original, das so viel Kraft hat, dass es überhaupt parodierbar ist. Wagner hält das selbstverständlich aus. Jede gute Parodie verlangt Ernsthaftigkeit und Seriosität. Witzig ist es aber doch geworden.

Hat Sie die Droge Wagner erwischt?

Ich habe eine große Verbundenheit verspürt mit einem Musiker, der derart gegen den Strom geschwommen ist. Mit dem Festhalten an einer Idee, trotz so vieler Widerstände. Er hat Entscheidungen getroffen und einfach durchgezogen. An ihm sehen wir, dass Kunst natürlich erstklassiges Handwerk braucht, vor allem aber Konsequenz.

„Eine Urgewalt der Musik“

Sie machen sonst ganz andere Musik. Was verpasst ein Mensch, der es nie mit Wagner versucht?

Er verpasst eine Urgewalt der Musik. Er verpasst auch eine sehr ehrliche Musik. Sie ist ehrlich, weil sie dauernd hemmungslos Gefühle ausbrechen lässt.

Uns fällt Woody Allen ein: „Immer wenn ich diese Musik höre, habe ich das Gefühl, gleich in Polen einmarschieren zu müssen.“

Das ist ein lustiger, wahrer Satz. Diese Musik zündet zuerst im Bauch und geht dann ins Hirn. Das macht sie auch massentauglich. In der Filmmusik funktioniert das bis heute. John Williams, der die Musik zu „Star Wars“ schrieb, kann ich mir ohne Wagner schwer vorstellen.