Essen. . In der Verfilmung von Lee Childs Krimi-Bestseller stört Tom Cruise weniger als erwartet. Und Filmemacher Werner Herzog brilliert als russischer Bösewicht. Regisseur McQuarrie bringt einen Jack Reacher auf die Leinwand, der sich vor seiner Vorlage nicht verstecken muss.
Das Lamento der Fans war groß, als bekannt wurde, dass der eher klein geratene Scientology-Hüpfer Tom Cruise die Bestseller-Figur Jack Reacher auf der Leinwand verkörpern sollte. Reacher, ein Ex-Militär-Ermittler, ist der Held von inzwischen 17 Büchern des Autors Lee Child – ein fast zwei Meter großer Hüne, über 100 Kilo schwer und mit Augen so blau wie einst die von Paul Newman. Sich da Tom Cruise vorzustellen, fällt schwer.
Aber es wird ja nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und wenn man „Jack Reacher“ sieht, die Verfilmung des Romans „Sniper“, muss man in der Tat gestehen, dass Tom Cruise dem Projekt keineswegs schadet. Er hält seine Manierismen im Zaum, passt sich, so gut er es schafft, der Wortkargheit seiner Figur an. Und ganz Reacher ist er, als er in einer Szene des Films mit seinem nackten Oberkörper sogar eine Rechtsanwältin in Verlegenheit bringt. Aber was soll er auch anziehen, wenn das T-Shirt gerade in der Wäsche ist? Reacher besitzt keine Kleidung zum Wechseln, reiste früher nur mit Geldbörse und Zahnbürste, zwischenzeitlich kam ein Ausweis hinzu. Er ist damit mehr der einsame Wolf im klassischen Western, der Fremde ohne Namen, als ein Gewächs der heutigen Gesellschaft.
Herzog stiehlt Cruise die Show
Regisseur Christopher McQuarrie („Die üblichen Verdächtigen“) ist es zu verdanken, dass die Vermählung Cruise/Reacher geklappt hat. Sein Film, der mit dem Amoklauf eines Scharfschützen beginnt, entpuppt sich als ein solider Thriller alter Schule, der dem Zuschauer früh Erkenntnisse vermittelt, die Reacher sich erst mühsam aneignen muss. Sein Erscheinen hat mit der Verhaftung eines alten Bekannten aus der Militärzeit namens Barr zu tun, mit dem unser Held eine Rechnung offen hat. Nun sitzt der Mann, auf den jedes Indiz für den Fünffachmord vom Anfang passt, im Verhörzimmer, und sagt kein Wort. Er malt nur ein Schild: „Holt Jack Reacher“.
Würde ein Mann, der gleich einen Mehrfachmord von einem Parkhaus aus begehen will, noch die Parkgebühr bezahlen? Mit dieser Frage hat Reacher schon den richtigen Riecher. Bald befinden sich er und Barrs Rechtsanwältin Helen Rodin (starke Präsenz: Rosamund Pike) auf der Spur von Grundstücksspekulationen, die sehr nebulös und wenig plausibel erscheinen. Dafür wirkt der Mann im Hintergrund umso plausibler: Ausgerechnet Filmemacher Werner Herzog spielt den Kopf der Verschwörung, einen mysteriösen Russen namens „Der Zec“, der Cruise locker die Schau stiehlt. Wenn er spricht, scheinen seine Sätze die Luft zu durchschneiden, ein milchiges Glasauge versetzt Gegner in Angststarre. Und dass er ein harter Bursche ist, zeigen schon seine Hände, die nur noch vier Finger aufweisen. Die anderen sechs hat er sich abgefressen, um der russischen Gefangenschaft zu entkommen.
McQuarrie verzichtet auf unnötige Action und setzt auf die Stärken des Romans
McQuarrie weiß, wie man Bösewichte kreiert. Und er weiß vor allem, wie man sie bekämpfen muss. Dazu lässt er Reacher einen alten Scharfschützen treffen, der heute einen Waffenladen besitzt und der sich freut, als der Fremde ihn um Beistand bittet. Der knorrige Robert Duvall spielt diesen greisen Profi, ein Mann unseres Vertrauens, auch wenn er nach vielen großen Filmen in die Liga der „Supporting Actors“ wechselte. Selbst da aber dominiert er noch jede seiner Szenen.
Über Lee Childs Fähigkeit, den Leser zu fesseln durch eine mysteriöse, am Ende aber gut überschaubare Handlung, verfügt Christopher McQuarrie im Film. „Jack Reacher“ funktioniert, weil er uns auf eine alte Art ungemein unterhält und nicht durch überflüssige Action-Sequenzen nervt.