Essen. Das Konzertprogramm an Rhein und Ruhr ist eigentlich immer hochkarätig. Dass aber zwei der größten Diven der Opernbühne am gleichen Tag in zwei Revier-Städten auftreten, das hat es so wohl noch nicht gegeben. Die Netreblo in Essen, die Bartoli in Dortmund. Ein Revier-Derby.
Ein Revier-Derby der Diven – auf zwei Plätzen: In Dortmund lieferte Cecilia Bartoli eine ihrer One-Woman-Shows mit barocken Raritäten ab, und in der beinahe ausverkauften Essener Philharmonie griff Anna Netrebko in die musikalische Schatzkiste ihrer russischen Heimat. Die Diva gab ihr Debüt im größten Konzertsaal des Reviers mit Tschaikowskys Einakter „Iolanta“. Auch am Ende dieser Tour durch elf europäische Musikzentren (morgen folgt noch Wien), mitgeschnitten von der Deutschen Grammophon, zeigte sich die Diva mit ihrer gesamten Entourage in Top-Form. Der Jubel konnte eingeplant werden, er ist das täglich Brot bei Auftritten dieser modernen „Assoluta“.
OperVoller gewordene Stimme
Die Titelpartie dieses gut anderthalbstündigen, raren Tschaikowsky-Spätwerks scheint der Netrebko wie auf die dunkler, voller gewordene Stimme geschneidert. Sie verlieh der blind geborenen Königstochter, die am Ende wundersam ihr Augenlicht und zugleich ihren Liebsten erhält, ein farbiges Spektrum von samtiger Mittellage voll dunkel-geheimnisvoller Erotik bis zu strahlender, nie scharfer Höhe. „La Netrebko“ sparte nicht mit lyrischer Süße, vermied jedoch klug, die eingängige Partitur noch zu überzuckern - es gab Ovationen. Auch das Orchester der Slowakischen Philharmonie erwies sich unter Emmanuel Villaume als differenzierter, nur gegen Ende etwas knallig aufspielender Partner. Herausragend im Ensemble: Alexey Markov als Robert mit großem Kavaliers-Bariton und Sergey Skorokhodov als Vaudemont, Iolantas strahlender Tenor-Liebhaber.
Musik aus historischen Instrumenten
Cecilia Bartoli wiederum entriss mit Hingabe die Werke des Barockkomponisten Agostino Steffani (1654-1728) den Archiven, dessen Musik sie ihre CD „Mission“ gewidmet hat. Im ausverkauften Saal des Dortmunder Konzerthauses, in dem Bartoli und das Kammerorchester Basel unter Julia Schröder ein triumphal gefeiertes Konzert gaben, waren 16 Arien aus acht der 17 Steffani-Opern, dazu mehrere Ouvertüren und Aires.
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Die Basler musizieren auf historischen Instrumenten, die die alte Musik sehr jung, sehr neu klingen lassen. Die historischen Instrumente sind nicht nur um der Liebe zum vermuteten Originalklang gewählt, sie gehen auch eine intime Verbindung mit der großen Stimme der Operndiva ein. Die Sängerin lebt, spürbar, ihre Musik, ihren Auftritt. Doch sie lässt auch zu, dass die Hörer den spröden Ausgangston erfahren, der erst im Vorgang des Singens überwunden und in höchste Reinheit überführt wird. Auch für Cecilia Bartoli ist Singen bei aller Leichtigkeit auch Arbeit.