Essen. . Das Thema Zeitreise hat den Schweizer Erfolgsschriftsteller Martin Suter schon als Kind fasziniert. Nun hat er einen Roman geschrieben - „Die Zeit, die Zeit“ - in dem ein Witwer auf originelle Weise an der Uhr drehen möchte. Was wäre, könnten wir in die Vergangenheit reisen?

Könnten wir diesen Moment, diesen einen entscheidenden Moment in unserem Leben doch nur rückgängig machen. Könnten wir zurück auf Los gehen. Diese grundlegende Sehnsucht aller Zeitreise-Visionen hat der Schweizer Bestsellerautor Martin Suter aufgegriffen: Im Roman „Die Zeit, die Zeit“ ist es der schrullige 80-jährige Witwer Knupp, der eine Wiederbegegnung mit seiner vor Jahrzehnten verstorbenen Frau plant. Sein Nachbar Peter Taler soll ihm helfen. Dessen Frau Laura war kürzlich bei einem Überfall getötet worden, vor der Haustür. Was so düster klingt, hat doch einen hellen Kern: Recht eigentlich ruft Suter zur Rückbesinnung aufs Gegenwärtige auf.

„Carpe Diem! Das wäre eigentlich das Motto: Nutze den Tag. Man sollte so leben, als ob es der letzte Tag wäre. Ich sage das auch nur sehr theoretisch und schaffe es nicht. Man lebt viel zu sehr in der Zukunft und in der Vergangenheit und nicht in der Gegenwart.“

Die Stimme Martin Suters am Telefon ist auf sympathische Weise entschleunigt, ein ruhiges schwyzer Hochdeutsch. In gewisser Weise sind seine Romane ja selbst Zeitreisen. Jeder neue erinnert an die vergangenen, in ihrer Mischung aus Kriminalfall, obskuren Begebenheiten, feiner Menschenbeobachtung und einem geschickt auf Spannung gehaltenen Erzählfaden. Kritiker werfen Suter gern seinen eher lockeren, unkomplizierten Schreibstil vor. Er selbst betont, an seinen Fähigkeiten nicht zu zweifeln.

„Für mich steht die Sprache nicht im Vordergrund. Sie soll nicht den Blick auf die Geschichte, die Stimmung, die Figuren, die Bilder versperren. Ich möchte nicht einen Hofknicks machen vor jedem zweiten Satz.“

Diesmal also dreht Suter an der Uhr: Sein Protagonist Knupp will Haus und Garten in den Zustand glücklicher Tage zurückversetzen, buchstäblich. Seine Idee, gestützt von zweifelhaften Theorien: Wenn alles so aussieht wie einst, wäre dies sein Tor zur Vergangenheit. Da geht es um alte Fotos und allerlei Gartenarbeit, auch um Trauer und die Härte des Weiterlebenmüssens.

Der Autor Martin Suter

Martin Suter wurde 1948 in der Schweiz geboren und fing seine Karriere als Autor in der Werbebranche an. Nach dem er einige Drehbücher für Filme und fürs Fernsehen verfasste, wurde er auch als Kolumnist bekannt. 1997 erschien sein erster Roman „Small World“, darauf folgten „Die dunkle Seite des Mondes“ (2000) und „Ein perfekter Freund“ (2002). In seinem Buch „Der Koch“ (2010) setzt er sich mit der Finanzkrise, Sri Lanka und einem Aphrodisiakum auseinander. Aktuell lebt Suter mit seiner Frau in Spanien und Guatemala.

Warum beschäftigt sich einer, der seine Bücher millionenfach verkauft, der nach herkömmlichen Maßstäben Erfolge feiert, mit der Möglichkeit, dem Leben zeitreisenderweise zu einem neuen Dreh zu verhelfen? Der Roman ist Toni gewidmet, Suters Adoptivsohn aus Guatemala. Er starb im Sommer 2009 im Alter von nur drei Jahren: Er erstickte beim Essen. Sekunden, die mehrere Leben für immer veränderten.

Was wäre gewesen, wenn?

„Die Frage ist aber, wenn man zurückkehren könnte und eine Entscheidung ändern, wer garantiert mir dann, dass diese Entscheidung die richtige gewesen wäre?“

Im Roman hat der Eingriff ins Zeit-Geschehen, ohne zu viel verraten zu wollen, denn auch überraschende Auswirkungen auf die Gegenwart. Trotzdem ist „Die Zeit, die Zeit“ keine Trauma-Bewältigung, sondern eher die leichthändige Variation tiefgreifender Fragen. Also genau das, was Suters Fans so an ihm schätzen.

Ein Blick in die Zukunft, dem „Carpe Diem“ zum Trotz? In dieser Woche kommt „Nachtlärm“ in die Kinos, zu dem Suter das Drehbuch schrieb. Auch die Verfilmung der Allmen-Krimireihe ist geplant. In der Rolle des schrulligen Ermittlers wird Sebastian Koch zu sehen sein.

Martin Suter: Die Zeit, die Zeit. Diogenes, 304 S., 21,90 €