Essen.. Mit den Dritten flieht man besser: Bernd Böhlichs sommerleichte, hochkarätig besetzte Seniorenkomödie „Bis zum Horizont, dann links“ ist ein schönes Plädoyer für mehr Unvernunft im Alter. Otto Sander ist die Routine im Seniorenheim satt und entführt ein Propellerflugzeug - um noch einmal ans Meer zu kommen.

Alle reden von Jugendwahn. Eckehardt Tiedgen (Otto Sander) aber quält sich mit dem Irrsinn des Altwerdens herum. Das Leben im Seniorenheim „Abendstern“ ist nur noch öde Routine zwischen Bewegungstherapie und Blutdruckmessen. Wer hier noch etwas erleben möchte, muss nachts ins Zimmer von Schwester Amelie (Anna Maria Mühe) lünkern, die sich die Polizei als Freund und Zeitvertreib-Helfer kommen lässt. So gerät Eckehardt in den Besitz der Dienstpistole.

Das ist die Ausgangssituation für „Bis zum Horizont, dann links“. Bernd Böhlichs bitter-heitere, von leiser Lakonik, dem Biss der dritten Zähne und der Klasse seines hochkarätigen Schauspiel-Ensembles (unter anderem mit Herbert Feuerstein und Ralf Wolter) getragenen Senioren-Komödie. Böhlich ist kein schonungsloser Realist wie Andreas Dresen. Hier siechen keine Alten in ihren Pflegebetten. Hier schleicht der Tod nicht schon mit Filzpantoffeln und Blasenkatheter durch die Zimmer. Wer tattrig ist, stopft sich morgens bloß mal das Gebiss seines Bettnachbarn zwischen die Kieferknochen und trauert im Traum den alten Zeiten am Theater nach.

Einmal noch in den Süden, ans Meer!

Böhlichs warmherzige Melancholie wird dabei von tragikomischem Humor getragen, der dem Film bald Flügel verleiht, buchstäblich. Denn aus dem kurzen Ausflug mit einer alten Propeller-Maschine wird im Nu eine Flugzeugentführung, bei der Eckehardt die Pistole wie auch seine ganze Überzeugungskraft zum Einsatz bring muss. Einmal noch in den Süden, ans Meer: den Wind spüren und die Freiheit. Wer Sanders Senior-Entführer da nicht folgen würde, ist entweder ein Stubenhocker oder schon scheintot. Jedenfalls bringt Tiedgen Maschine und Mannschaft auf Kurs. Aber wie das mit der Freiheit so ist, zwingt sie ihre Anhänger immer wieder zur unkalkulierten Notlandung. Weil der letzte Mut fehlt. Oder auch nur das Benzin.

So ist Böhlichs ebenso abgehobenes wie alltagstaugliches Rentnermärchen vor allem ein sympathisches Plädoyer für etwas mehr Unvernunft im Alter. Manchmal etwas brav in der Bebilderung, aber präzise in den Beobachtungen und stark im Auftreten seiner Altstars. Angelica Domröses ins Heim abgeschobene Margarete ist nur ein Beispiel dafür wie man die 70 mit Anmut, Würde und Tatkraft nimmt. Alt werden, hat ja schon Mae West gewusst, ist eben nichts für Feiglinge.