Siegen. . Alle fünf Jahre vergibt die Stadt Siegen ihren Preis, und die Liste der Preisträger liest sich wie das „Who is Who“ der zeitgenössischen Spitzenkunst. Nun wurde die Londoner Künstlerin Bridget Riley geehrt.

Eine zierliche englische Lady sitzt zwischen Museumsdirektorin und Bürgermeister auf dem Podium und erzählt in kultivierter Sprache von ihrer Arbeit: Wie sie als Kind die Schönheit der Landschaft wahrnahm und ein starkes Gefühl für sie entwickelte, wie sie das Zeichnen für sich entdeckte, wie der französische Impressionist Bonnard mit seiner pointillistischen Technik ihr Verständnis von Malerei in den Grundfesten veränderte. Gebannt lauscht man der vitalen Dame, die in diesem Jahr 80 geworden ist, die mit ihrer „Op-Art“ seit den 1960er-Jahren weltweite Berühmtheit erlangte und die am Sonntag den Siegener Rubenspreis erhalten hat.

Bürgermeister Mues hat guten Grund, seiner Stadt und auch sich selbst zu dieser Preisträgerin zu gratulieren. Gern erinnert er an die Entscheidung der Stadt Siegen, im Jahr 1955 den Rubens-Preis auszuloben. Um die 50 000-Einwohner hatte man damals, das Stadtbild war noch geprägt von den Zerstörungen durch den Krieg, man hätte also eigentlich andere Sorgen gehabt. Umso höher ist der Kunstsinn der Altvorderen zu preisen.

Exzellente Kollektion zeitgenössischer Werke

1957 ging der allererste Rubenspreis an den Künstler Hans Hartung; seitdem wurde in Siegen im Fünfjahrerhythmus die Prominenz der zeitgenössischen Moderne ausgezeichnet, von Giorgio Morandi bis Maria Lassnig, von Francis Bacon bis Sigmar Polke. Und weil die große Sponsorin des Siegener Museums für Gegenwartskunst, die Privatsammlung Lambrecht-Schadeberg, stets auch ein Werk der Ausgezeichneten ankaufte, verfügt das Haus nun , anders als viele „arme“ städtische Museen, über eine exzellente Kollektion zeitgenössischer Werke.

Nun also Bridget Riley, deren geradezu pedantische Beschäftigung mit Mustern, Formen und Farben nur auf den ersten Blick einfach zugänglich zu sein scheint. Die Künstlerin hat die Siegener Hängung – es dominieren in den Räumen prominent gehängte Großformate – maßgeblich bestimmt. Ein großer, quasi dreieckiger Raum zum Beispiel wurde konsequent mit drei Werken einer Serie bestückt, „Paintings With Verticals“ (2006), jeweils etliche Quadratmeter groß, deren Muster sich ähneln, die sich jedoch in den Farbgebungen stark unterscheiden.

Wandmalereien als Leihgabe

Zu den Phänomenen der Darstellung und der Wahrnehmung von Kunst, die Bridget Riley besonders interessieren, gehören, wie sie erzählt, Begrenzung und Entgrenzung von Bildern. Letztere gelingt besonders gut bei Wandmalereien, weshalb in der Siegener Schau nun auch einige zu sehen sind. Lehrreich ist das Nebeneinander der Werke „Cadence 8“ und „Arcadia I“, (beide 2007), die beide, so weit man es erkennen kann, im Zentrum gleiche Farben und Muster zeigen. Doch ist das erste in Öl auf Leinwand ausgeführt und durch die Ränder streng begrenzt, während die Wandbemalung, ausgeführt in „Graphit und Acryl auf Gipswand“, an den Rändern fröhlich ausufert. Bridget Rileys Wandbilder wurden übrigens von Assistenten mit großer handwerklicher Perfektion auf die Museumswände gezaubert – und werden von ihnen verschwinden, wenn die Ausstellung zu Ende ist. Schließlich sind sie nur Leihgaben (unter anderem aus Stuttgart).

Was hält das Sehen in Gang, was vermittelt visuelle Information an Atmosphäre? Zwei zentrale Fragen im Werk von Bridget Riley, die Siegens Museumsdirektorin Eva Schmidt bei ihrer Ausstellungspräsentation formulierte. Wie immer in solchen Fällen kann die Antwort nur in der dringenden Empfehlung bestehen, sich die Arbeiten der Rubenspreisträgerin in Siegen selber anzusehen.

  • Die Preisverleihung fand am Sonntag, 1. Juli, in der Siegerlandhalle im Leonhard-Gläser-Saal statt.
  • Die Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst wird am 1. Juli um 15.30 Uhr eröffnet. Sie läuft bis 11. November. Am Eröffnungstag ist der Eintritt frei.
  • Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, Do bis 20 Uhr. Eintritt 5,90 Euro.
  • Anschrift: Museum für Gegenwartskunst Siegen, Unteres Schloss 1, Siegen.
  • Die Auszeichnung erinnert an den Barockmaler Peter Paul Rubens, der das Licht der Welt in Siegen erblickte.