Siegen. . Vor 50 Jahren wurde Bridget Riley (81) mit ihren meist farbigen, minimalistisch gemusterten Bildern berühmt. Auf die Entwicklung der Pop Art hatte sie einen erheblichen Einfluss.
Diese Kunst wirkt so gefällig, dass man misstrauisch werden müsste: Wellen, Kreise, Streifen oder Kästchen bedecken in hellbunten Farben und gleichförmigen Komposition glatte Untergründe, formen sich zu Bildern von scheinbar äußerster Belanglosigkeit, deren provokatives Potenzial am ehesten noch darin liegen könnte, dass Sie sich anmaßen, Kunst zu sein: dass ihre Schöpferin sich anmaßt, mit ihnen Kunst geschaffen zu haben. Doch ist das so? Richtig ist auf jeden Fall, dass Bridget Rileys Bilder zu den bedeutendsten Werken der Op-Art zählen, dass die magischen Muster der mittlerweile 81-jährigen Londonerin Fixpunkt und Vorbild für viele sind, die nach ihr kamen. Am 1. Juli wird ihr der Siegener Rubens-preis verliehen, den vor ihr zuletzt Sigmar Polke (2007) und Maria Kassnig (2002) bekommen haben – für ihr Lebenswerk, wie jetzt auch Bridget Riley.
Nun ist Bridget Rileys Kunst keineswegs so beliebig, wie es bei flüchtiger Betrachtung den Anschein hat. Eine Nähe zu Arbeiten von Josef Albers, Mark Rothko oder auch Victor Vasarely ist ebenso wenig zu leugnen wie eine spürbare Lust am magischen Spiel, das die Sehgewohnheiten und –fähigkeiten der Betrachter überrumpelt. Die Kunst Bridget Rileys ist zudem überaus hintersinnig, behauptet Jörg Heiser, Herausgeber eines amerikanischen Kunstmagazins und intimer Werk-Kenner, der ein schelmisches Spiel mit der Publikumserwartung festgestellt haben will. „Bridget Riley: Der Witz und seine Beziehung zur Abstraktion“ ist ein Vortrag überschrieben, den er in Siegen hält. Eine These daraus: „Von Rileys Bildern gehen Illusionseffekte aus, die gewollt sind, aber nicht erfüllt werden.“ Da mag sich manch einer an Gerhard Richters Kunst erinnert fühlen, der mitunter in ähnlicher Weise mit Erinnerung, Erwartung und Enttäuschung spielt, auf einigen seiner Gemälde ebenso wie 2007 in seinen skandalös unfigurativen Kirchenfenstern für den Kölner Dom.
Die zentrale Frage lässt sich auch umgekehrt stellen: Ab wann gilt eine Ansammlung von Farbflächen, Strukturen und Begrenzungen nicht mehr nur als ein (konkretes) Bild, sondern als Abbildung von Natur? Anders gefragt: Ist Bridget Riley wirklich eine abstrakte Malerin, oder tut sie nur so? Wo fängt Abstraktion in ihrem Werk an, wann ist sie zur Gänze erreicht? Angefangen hat sie jedenfalls in den 50er Jahren noch damit, den Pointillismus der Franzosen, etwa Seurats, in Bildern wie der „Rosa Landschaft“ (1960) fortzuentwickeln.
In Berlin ist derzeit eine Ausstellung über „Kunst in Los Angeles 1950 - 1980“ zu sehen. Hier, wo es meistens wärmer war als im New York eines Andy Warhol, machten Künstler wie David Hockney, Edward Kienholz oder Bruce Nauman ihr eigenes Ding. In der Fotogalerie zu dieser Ausstellung kann man eine kleine, unscheinbare Aufnahme finden, die einige der späteren Stars als ganz artige Besucher einer Bridget-Riley-Ausstellung zeigt, erste Hälfte der 60er Jahre vermutlich. Nicht mehr oder weniger lässt sich daran ablesen, als dass die britische Künstlerin kaum dreißigjährig schon zu den Arrivierten gehörte. Und dass sie (auch) die Pop Art in ihrer Westküsten-Spielart beeinflusst haben dürfte.
Unbezahlbare Werke
Wer auf dem Kunstmarkt nach Bridget Riley sucht, muss lange suchen. Das Angebot der Versteigerungshäuser tendiert gegen Null. Wer „einen Riley“ besitzt, behält ihn offenbar auch. Vor einiger Zeit jedoch kam eine „Hommage to Bridget Riley“ auf den Markt. Geschaffen hatte sie die aus Schwerte stammende, ihrerseits teuer gehandelte Künstlerin Rosemarie Trockel: Ein wollenes Strickbild, das Riley-typische Wellen zeigt und bei Sotheby’s in London beachtliche 130 000 Pfund erzielte.
Wenn schon eine Hommage so wertvoll ist, was mag dann ein Original kosten? Man könnte Frau Lambrecht-Schade berg fragen, großzügige Sponsorin des Siegener Museums für Gegenwartskunst. Zumindest ein „Riley“ der Siegener Ausstellung entstammt ihrer Sammlung, er ziert das Faltblatt zu den Ereignissen.
Allerdings macht bekanntlich der Markt den Preis, und die Siegener Mäzenin möchte vermutlich gar nicht verkaufen. Zu lesen war allerdings vor gut einem Jahr, dass Rileys Bild „Persephone 1“ von 1969 bei Sotheby’s in London die Millionengrenze sprengte und umgerechnet 1 033 361 Euro erzielte.
Jüngst weilte Siegens Museumsdirektorin Eva Schmidt in London, um mit der großen alten Dame der Op Art Details der Übergabe des Siegener Rubenspreises zu klären. Nein, ist zu erfahren, eine besondere Beziehung zu Siegen hat Bridget Riley bisher nicht. Das war bei Rubens’ Eltern bekanntlich ähnlich. Und die Bilder, die ihr Peter-Paul später malte, sind wie jene Bridget Rileys unbezahlbar geworden.
Bridget Riley erhält den 12. Rubenspreis der Stadt Siegen, der mit 5200 Euro dotiert ist.
Der Preis wird am 1. Juli (11 Uhr) im Leonhard-Gläser-Saal in der Siegerlandhalle übergeben.
Die Ausstellung anlässlich der Verleihung läuft vom 1. Juli bis 11. November im Museum für Gegenwartskunst, Siegen.