Essen. . Schneewittchen-Kult im Kino: Die Deutschen lieben das Märchen. Und die Rolle der bösen Königin bekommen nur die schönsten Frauen. In „Snow White & the Huntsman“ setzt Charlize Theron der Rolle die Krone auf. Und Kristen Stewart ist als Schneewittchen genauso bleich wie als vampirliebende Bella.
Deutschland im Jahre 2012. Die CDU streitet über die Herdprämie. Beauty-Domina Heidi Klum erklärt den Laufsteg zur Marterstrecke. Und die Frauen im Land der Schwarzers und Schröders haben die Sache mit dem Prinzen immer noch nicht abgehakt: Die Geschichte von „Schneewittchen“ landete bei einer Umfrage zum beliebtesten Märchen zuletzt weit vorne.
Während aber der Prinz alter Prägung Konkurrenz bekommen und im Kino nun neben einem Kraftpaket von Huntsman (Chris Hemsworth) um die Gunst der schönen Schneewittchen kämpfen muss, findet Hollywood seine neue Kinoheldin aber ausgerechnet im Reich der unerfüllten Mädchenträume. Sind wird alle immer noch ein bisschen Schneewittchen?
Gleich zwei Snow-White-Filme in einem Jahr, das kann kein Zufall sein. Nicht mal der 200. Geburtstag des Grimm-Märchens in diesem Jahr rechtfertigt so einen Zwergenauflauf (im neuen Film sind es sogar acht). Vor allem ist es wohl ein Ausdruck unserer Jugendwahn-Gesellschaft, denn welches Märchen passt besser in die Zeit als das Drama einer alternden Beauty-Königin: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das beste Botox im ganzen Land?
Martialisch-aufgemotztes Action-Abenteuer
Damit wir verstehen, welch furchtbare Folter Falten sein können, werden für die Rolle der bösen Stiefmutter im Kino nur die Allerschönsten genommen. In Tarsem Singhs ironisch-verspielter Märchen-Paraphrase „Spieglein, Spieglein“ war es Superstar Julia Roberts. In Rupert Sanders effekthascherischer Action-Version „Snow White & the Huntsman“ ist es nun die großartige Charlize Theron. Im wahren Leben derzeit das Gesicht von Dior. Im Film ein Spielball der Kino-Technik, die ihr Antlitz wie eine Marmorskulptur aussehen und dann wieder schrumpeln lässt wie eine auf dem Sunset Strip verlorene Trockenpflaume.
Schön ist das nicht. Aber wirkungsvoll. Und so wie Therons Gesicht lässt sich ja auch die Geschichte in alle Richtungen dehnen und strecken. Mal als bonbonbunte Designer-Phantasie, mal als martialisch-aufgerüstete Mixtur aus Tolkiens „Herr der Ringe“ und den „Tributen von Panem“, wie es Werbefilmer Sanders nun versucht. Mit „Twilight“-Star Kristen Stewart als Snow White. Die Arme wird wohl ihr Filmleben lang das Sonnenlicht scheuen müssen. Entweder, weil sie in einen Vampir verknallt ist oder weil die Stiefmutter sie in ein finsteres Turmverlies steckt. Wobei Therons Killer-Königin Ravenna hier die wahre Blutsaugerin ist, wenn sie ihre Beißerchen in das junge Fleisch ihrer Opfer schlägt, um frischen Lebenssaft zu saugen.
Jeanne D’Arc der Anti-Aging-Bewegung
Schönheit ist Machtmittel und Fluch zugleich, das ist die wenig überraschende Botschaft dieses aufgemotzten Märchen-Abenteuers, das weit finsterer und brutaler daherkommt als die vielen reizend-heiteren Schneewittchen-Filme zuvor. Und wenn Snow White am Ende wie eine Jeanne D’Arc gegen den Anti-Aging-Horror der bösen Stiefmutter reitet, dann wissen wir zumindest: Der Kampf gegen das Diktat der Makellosigkeit liefert weiter schöne Bilder. Jetzt in Ihrem Kino.