Dortmund. . Seit elf Jahren ist die “Extraschicht“ der größte schwerindustrielle Sommernachtstraum der Welt - und in diesem Jahr soll er wuchtiger sein denn je. Neue Spielorte des erfolgreichen Festivals locken. Am 30. Juni kommt die lange Nacht der Industriekultur.
Strukturwandel ist: Pressekonferenzen im Klärwerk - und wenn die Köttelbecke unserer Kindertage das Zeug zum Erlebnis „Emscherpassage“ hat. Nein, es bricht hier nicht die Stunde des Lästerns an. Wir blicken erwartungsvoll auf die „Extraschicht“. Seit elf Jahren ist es der größte schwerindustrielle Sommernachtstraum der Welt. Ein Magnet, der nicht nachlässt. Dieses Jahr soll er wuchtiger sein denn je. Dazu tragen neun neue Spielorte bei: Auf dem Nährboden harter Arbeit will die Kultur hier noch mehr Performance-Pflänzchen ziehen.
Was passiert?
Das ist jetzt praktisch gemeint und gar nicht gemein: Es gibt grundsätzlich am 30. Juni überall dasselbe: Menschen, die Neugier mitbringen und keine Angst haben, ihr Hemd zu verrußen, dürfen eine Nacht lang so viel Industrie plus Kultur sehen, wie sie wollen. So ziemlich überall – von Unnas 1979 geschlossener Lindenbrauerei bis zu den 1000 kreativen Feuern auf der Dinslakener Halde Lohberg. Nirgends – ob im Lärmtunnel der Dortmunder „Dasa“ oder bei m Chemiepark Marl – muss man sich anmelden. Höchstens anstellen. Regel: Wo es voll schön ist, ist es meistens auch schön voll.
Zeit und Geld
Los geht es ab 18 Uhr. Schluss ist meist weit nach Mitternacht, mal im Schein feister Feuerwerke, mal zu kubanischer Musik am leeren Pool des alten Castroper Parkbades oder auf der „Walpurgisnacht“ des Theaters an der Ruhr. Alles kostet den einen Preis (14 € für alle Transfers, alle Eintritte etc. Das Ticket für vier: 44 €) – und als Aufschlag vielleicht ein bisschen Geduld. Weil zum Beispiel im Oberhausener Gasometer immer nur 2025 Menschen zur gleichen Zeit sein dürfen. Oder weil der Shuttle-Bus von Bottrop Richtung Zeche Carl gerade weg ist oder die Ruhrtalbahn, mit der man mühelos von Zeche Nachtigall zur Henrichshütte tuckern kann.
Ganz fesch: Es gibt E-Bike-Shuttles. Und für den Seemann im Püttrologen: Schiffsverkehr. So kann man in 75 hoch(ofen)romantischen Minuten von der Ludwiggalerie Oberhausen zum Amphitheater Gelsenkirchen gleiten.
Was immer geht
Klassiker vom Ganzen: Zollverein in Essen natürlich, Zeche Zollern in Dortmund. Duisburgs Binnenhafen, Hertens Zeche Ewald. Dasselbe ist es ja lange noch nicht, nur weil man im zweiten oder vierten Jahr hinpilgert. Nein, die Kreativen (ob Shakespeare Open Air oder Riesenreigen junger Bands) sind weit von Ruhrroutine entfernt. Wer sichergehen will, plant seine Reise durch die Nacht minutiös durch – nach Schauplatz, Kunstform oder Bequemlichkeit. Die anderen lassen sich treiben. Das Schlimmste, was passieren kann: den letzten Bus zu verpassen. Angeblich haben in der Not gebildete Sammeltaxen aber auch schon Ehen gestiftet.
Ganz schön hell hier
Es ist ja eine der großen Hoffnungen für unsere Region, dass den Machern mal ein Licht aufgeht. Am 30. Juni jedenfalls drücken sie die Schalter: „Licht an!“ heißt das auf gut Extraschicht-Deutsch. Die Beamerbuam erhellen Duisburgs Binnenhafen, Fiege in Bochum wird zum Plätzchen fürs „Lichtpicknick“. Und am Nordsternpark Gelsenkirchen treffen Laserstrahlen auf eine echte Sopranistin.
Wir sind Vorbild!
Die Extraschicht macht Schule. Der Osten ist ganz aus dem Häuschen und sendet 2012 sogar zeitgleich: In Oberschlesien und in der Ukraine bittet man zur „Industriada“ bzw. „Zweiten Schicht“. Delegationen haben an der Ruhr abgeguckt.
Die Neuen
Neun der 53 Austragungsorte der „Extraschicht“ sind neu. Das Bergwerk Bergmannsglück in Gelsenkirchen, das Zechengelände Arenberg-Fortsetzung in Bottrop, Mülheims Altes Solbad am Raffelberg, Bochums Ruhr-Uni und das Haus Witten; außerdem öffnet die Emschergenossenschaft von Holzwickede bis Dinslaken vier frisch gereinigte Feuchtgebiete fürs Publikum. Apropos Emscher: Vom Dach der drei „Fauleier“ ertönt die ganze Extraschicht lang immer wieder ein Hornkonzert mit Schiffs und Nebelhörnern. Das ist dann auch Strukturwandel: Dass man hört, was man gottseidank nicht mehr riechen kann.
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