Münster. . Der Sopranstar stellte sich in Münster vor. Im Juni will die Russin mit ihrem Gefährten Erwin Schrott dort ein Open-Air-Konzert geben. 31.000 Zuschauer soll der Schlossplatz dann fassen. Ein Gespräch.
Kleiner Schock wegen Schrott. Fast hätten wir Erwin Schrott Glauben geschenkt, als er im leicht vernebelten Münster für einen Paukenschlag aus der Sparte Klassik-Klatsch sorgte: „Wir sind kein Paar mehr!“ Aber, ach, ein Witzchen nur vom virilen Bassbariton aus Urugay.
Anna Netrebko, Mutter seines Sohnes, scheint den Gag zu kennen: Sie zuckt kaum. Außerdem geht gleich schon wieder das Flugzeug zum nächsten enervierenden Presseplausch. Das Sänger-Paar nahm am Donnerstag in Münster nur kurz Maß. Lang kommt später: Am 2. Juni soll ein Open-Air-Konzert den Schlossplatz zur Klassik-Arena machen. Lars von der Gönna traf das Gespann.
Man hört Sie an der Met, in Wien, Berlin. Wie kommen Sie bloß auf Münster, Frau Netrebko?
Netrebko: Wenn ich mir das hier im Sommer vorstelle, die Bäume, schönes Licht, das Schloss in der Abendstimmung – das ist doch toll. Wir haben eine solche Kulisse für unser Open Air gesucht und gefunden.
Schrott (auf Deutsch): Die Schloss ist särr schön!
„Endlich singt sie mal was Gescheites!“
Open Air heißt bei Ihnen aber nicht, dass sie plötzlich die Pop-Nudel à la David Garrett geben. Ihr Programm wird anspruchsvoll sein, hört man.
Netrebko: Auf jeden Fall. Es wird natürlich erstklassige Musik sein, auch weniger Bekanntes. Ich mag es sowie nicht, wenn ich einen Hit nach dem anderen singen soll. Mir ist durchaus klar, dass das nicht jedem zusagt. Bei einem Konzert habe ich mal drei vier weniger populäre Arien gesungen, aber dann Puccinis berühmtes „O mio babbino caro“. Da rief eine Zuschauerin: „Endlich singt sie mal was Gescheites!“ Tja.
Schrott: Open-Air ist auch eine Chance. Es kommen dort auch Menschen hin, die vielleicht noch nie Klassik gehört haben. Wir wollen trotzdem unseren Anspruch halten.
Was verlangt Open-Air von einem Sänger Spezielles?
Netrebko: Es ist nicht ganz leicht. Man braucht deutlich mehr Energie. Vor allem braucht man erstens gute Nerven und zweitens gutes Wetter. Natürlich werden wir verstärkt, aber das kann schiefgehen. Ich habe mal auf dem Roten Platz gesungen. Das Mikrophon war eine Katastrophe, es hat meine Töne einfach nur kaputtgemacht. Wissen Sie, was ich da tat? Ich hab’s weggeschmissen und weitergesungen, das hat auch geklappt. Wir sind ja Opernsänger, wir können das, man gibt mehr Power und die Leute können einen auch ohne Mikro hören. Ich denke aber, hier passiert so was nicht.
„Jonas Kaufmann gehört zu den zehn Besten der Welt“
In Münster wird der deutsche Tenor Jonas Kaufmann der Dritte im Sängerbunde sein...
Netrebko: Ein wunderbarer Kollege, ein großer Sänger. Ich sehe ihn aktuell unter den zehn Besten der Welt.
Frau Netrebko, Herr Schrott, Sie stehen oft gemeinsam auf der Bühne. Sind das Phasen, in denen selbst in der Freizeit für kaum mehr Zeit ist als Musik?
Netrebko: Um Himmelswillen, nein! Wir sind keine von diesen Verrückten, für die es nichts als Klassik gibt. Eigentlich ist das Gegenteil der Fall.
Schrott (blickt bedeutungsschwer): Es gibt so schöne andere Dinge...
Netrebko (unterbricht): Kochen! Zum Beispiel. Und wir arbeiten an einer wohltätigen Stiftung. Das Leben ist so schön. Es gibt Freunde, die Familie. Und wir haben u n s!
„Wir sind sehr, sehr kritisch miteinander“
Sie sind beide Opernsänger. Wie kritisch sind Sie miteinander in Ihrem Metier?
Schrott: Sehr, sehr kritisch. Aber es geht dabei nicht darum, den anderen zu verletzen. Es geht darum, dass er immer noch besser wird.
Netrebko: Wissen Sie, wenn man ein Star ist, ist es fast unmöglich, jemanden zu finden, der ehrlich zu ihnen ist. Keiner weist dich auf einen Fehler hin, wenn du ganz oben bist. Das ist schlecht für uns. Wie sollen wir da Fehler erkennen und korrigieren? Es ist ein Glücksfall, wenn dein Partner „vom Fach“ ist.
Frau Netrebko, Wladimir Putin hat Sie auf die Liste seiner „Wahlhelfer“ gesetzt. Wissen wir also, wen der aktuell bekannteste Sopran der Welt zum nächsten russischen Präsidenten wählt?
Netrebko: Ich bin russische Staatsbürgerin, da bin ich schlichtweg erstmal verpflichtet zu wählen. Und, ja, ich wähle Putin. Meiner Meinung nach gibt es keine Alternative – derzeit.