Düsseldorf. . Stefan Horsthemke über die Kunst als Krisen-Gewinner, die richtigen Investitionen und immer neue Auktions-Rekorde.
Herr Horsthemke, mehrere deutsche Auktionshäuser melden für 2011 Rekordumsätze. Ist der Kunstmarkt der Gewinner der Krise?
Horsthemke: Sicher wird Kunst seit einiger Zeit als geeignete Geldanlage angesehen. Aber das ist keine ganz neue Entwicklung. Schon im 19. Jahrhundert haben große Unternehmen ja gezielt in Kunst investiert. Weil man mit Kunst gegen Inflation geschützt ist. Und sie ist weltweit handelbar. Kunst ist gewissermaßen die Aktie für die Wand.
Wenn die Aktienmärkte wackeln und das Gold knapp wird, investiert man also besser in Richter und Rauch?
Kunst ist als alternative Anlage sicher eine gute Wahl. Aber wie bei allen Anlageformen gibt es Dinge, die man beachten muss. Investition in Kunst ist nicht ganz einfach.
Was kann schief gehen?
Man kann den richtigen Künstler kaufen, aber das falsche Werk. Oder die Kunst ist in einem schlechten Zustand. Um das herauszufinden, muss man sich schon auskennen. Wir geben Kunden die notwendige Hilfestellung, von der Qualitätsprüfung über die Untersuchung des Erhaltungszustand bis zur Materialprüfung. Der jüngste Kölner Kunstfälscherprozess hat ja gezeigt: Man kann nicht ausschließlich Expertisen vertrauen.
Abseits der Frage „echt oder falsch“: Worauf muss man beim Kauf vor allem achten?
Auf Qualität. Vor zwei, drei Jahren da ging es immer noch um den Künstler als Marke. Da wurde Gerhard Richter als Name gekauft. Aber jetzt geht es immer mehr um das richtige Bild vom richtigen Künstler. Und das ist für einen Laien eigentlich nicht machbar.
Ihr Konzept?
Man muss sehr viel sehen, reisen, reden. Das ist für Quereinsteiger natürlich schwierig. Wir versuchen uns unabhängig zwischen Markt und Käufer zu stellen. Wir verkaufen keine eigene Ware, wir selektieren den Markt für den Kunden und sorgen für Transparenz.
Lässt sich mit dem Sparvertrag über 20 000 Euro auf dem Kunstmarkt trotzdem etwas ausrichten?
Durchaus. Aber solchen Anlegern sollte man auf jeden Fall empfehlen, keinen Lustkauf zu machen, sondern sich intensiv mit der Materie zu beschäftigen, vielleicht auch ein bisschen Geld für die Beratung auszugeben. Dafür erlangt man dann am Ende oft auch deutlich höhere Renditen.
Gibt es denn die total sichere Kunst-Anlage, so eine Art Tagesgeldkonto auf Leinwand?
Das gibt es auf jeden Fall. Mit einer Tagesgeldanlage ist das aber nicht zu vergleichen. Weil Kunst nicht täglich handelbar ist. Im Normalfall sollte man ein Investment in Kunst bis zu zehn Jahre halten können. Das muss man bei vielen Anlageprodukten letztlich auch. Aber es gibt natürlich bestimmte große Namen in der Kunstwelt, die sind praktisch täglich handelbar. Wenn ich ein gutes Blatt von Picasso habe, von Gerhard Richter, Neo Rauch oder Sigmar Polke, das geht immer.
Aber die Preise für diese Künstler steigen gerade ins Utopische.
Wir lesen natürlich immer über wahnsinnige Rekordergebnisse bei Auktionen. Das klingt spannend. Aber der Hauptumsatz wird ja nicht in diesem Segment gemacht. Der Hauptumsatz wird gemacht bei Objekten zwischen 100 000 Euro und einer Million. Und dann gibt es noch mal eine Spanne zwischen 20 000 und 50-/60 000 Euro.
Bei Aktien lautet die Devise: breit streuen. Gilt das auch für Kunst, also einmal quer durch den Stil-Garten sammeln?
Man sollte Schwerpunkte setzten. Man kann Künstler sammeln oder Stilrichtungen. Man kann Kunst nach Themenbereichen sammeln, Landschaftsbilder, Fotografie, klassische Modern, oder Malerei des 19. Jahrhundert. auch da gibt es Künstler, die nicht so teuer sind. Das wichtige Kriterium aber heißt: Man sollte das kaufen, was einem gefällt.
Und was ist mit zeitgenössischer Kunst? Kleiner Preis, aber auch ein größeres Risiko.
Junge Kunst kommt nur für den infrage, der sich damit umgeben will. Aber eben nicht als Wertanlage. Da geht es um inhaltliche Auseinandersetzung. Das würden wir nicht als Investment empfehlen, dazu sind die Unwägbarkeiten viel zu groß.
Gleichwohl werden Bereiche des Kunstmarkts, beispielsweise die Künstler der Klassischen Moderne. weltweit immer umworbener und damit knapper. Die Chinesen sind inzwischen Sammler-Nation Nummer eins.
Für viele Menschen in China und den Schwellenländern ist Kunst heute eine bestimmte Ausdrucksform von Wohlstand, Wissen und gesellschaftlichem Ansehen. Das sind ja durchaus auch Motivationen, Kunst zu kaufen. Deshalb gibt es auch immer wieder spektakuläre Käufe von Chinesen, die berühmte europäische Künstler kaufen. Das ist die erste Sammler-Phase. Dann beginnt die Kennerschaft.
Es heißt, der Kunstmarkt hinkt dem Aktienmarkt mit Verzögerung hinterher. Kommt bald der Konjunktur-Knick?
Wenn man sehr genau hinschaut, ist die Situation schon so. In einer echten Hochphase würde sich auch mittlere und untere Qualität sehr gut verkaufen. Aber der Selektionsprozess ist in den letzten Jahren viel strikter geworden. Werke von mittlerer Qualität sind kaum verkäuflich, und wenn dann nur zu einem niedrigen Preis. Da schlägt sich die Finanzkrise schon nieder. Im Vergleich zu Boomjahren des Kunstmarktes Ende der 80er Jahre, als die Japaner alles aufgekauft haben, was ungefähr nach Impressionisten aussah, davon sind wir inzwischen ganz, ganz weit entfernt.