Weihnachtsgeschenke - Wertvernichtung in Milliardenhöhe
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Essen. Wer schenkt, vernichtet Geld. Denn das, was er für das Geschenk ausgibt, ist meist mehr, als es dem Beschenkten wert wäre. Die Trefferquote ist - keine Überraschung - besonders niedrig bei entfernten Verwandten. Die vernünftige Lösung sind Gutscheine und Bargeld. Allein: Einen richtigen Volltreffer landet man damit nicht.
Krawatten, Socken, Parfüm. Engelfigürchen, Kerzenständer, Heino-CDs. Das Fest der Liebe ist eine Materialschlacht, das könnte man schon ganz grundsätzlich bedauerlich finden. Den Sinn des Gebens aber bezweifeln längst nicht nur verschrobene Konsumkritiker. Sondern sogar Ökonomen, die doch dem himmlischen Umsatzplus im Dezemberhandel aufgeschlossen gegenüberstehen sollten. Einer hat das jetzt mal ausgerechnet: Weihnachten ist demnach ein gigantischer Wertvernichter, behauptet Joel Waldfogel. Die Schäden belaufen sich auf -zig Milliarden.
Um zu verstehen, wie der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor auf diese steile These kommt, müssen wir ein wenig rechnen. Nehmen wir an, Sie bekommen ein ganz nettes Buch geschenkt, eine CD, eine schöne Flasche Wein – irgendetwas Übliches, Harmloses, ein Da-kann-man-nix-falsch-machen-Geschenk. Von wegen!
Beliebte Weihnachtsgeschenke
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Ein Geschenk für zehn Euro ist dem Beschenkten nur 8, 20 Euro wert
Nehmen wir weiter an, jemand fragt Sie, was Sie für dieses Geschenk selbst ausgegeben hätten – und Sie würden sagen, zehn Euro. Das wäre okay, wenn das Geschenk tatsächlich zehn Euro gekostet hätte. Meistens aber, und das hat Waldfogel in vielen Studien nachgewiesen, beziffern wir die Geschenke, die wir bekommen haben, weit unter Wert – im Schnitt beträgt das Minus 18 Prozent. Die CD wäre demnach dem Beschenkten nur 8,20 Euro wert.
Durch diese Differenz ergibt sich ein Milliardenloch, das es mit den meisten fehlgeleiteten Regierungsprogrammen locker aufnehmen kann. Waldfogel nennt naturgemäß Berechnungen aus seinem Heimatland, hat aber seine Studien in Europa verifiziert. Wenn man also weiß, dass die Deutschen 2011 laut Statistik am Ende wahrscheinlich rund 26 Milliarden Euro für Weihnachtsgeschenke ausgegeben haben werden – dann kann man davon ausgehen, dass sie damit einen „Wohlfahrtsverlust“ von 4,68 Milliarden produziert haben. Was für eine Verschwendung!
Entfernte Verwandte erreichen eine Empfängerzufriedenheit von 75 Prozent
Was können wir tun? Wir haben es doch nur gut gemeint. Wollten anderen eine Freude machen. Müssen wir uns das Schenken schenken? Zunächst mal gibt Waldfogel selbst Anlass zur Hoffnung. Schließlich verstünden es Eltern, Geschwister und enge Freunde weit besser als andere, wertvolle Geschenke zu machen – die Trefferquote bei Lebenspartnern liegt bei nahezu hundert Prozent. Entfernte Onkel und Tanten, die überdurchschnittlich oft danebengreifen und eine „Empfängerzufriedenheit“ von 75 Prozent erreichen, greifen heutzutage ohnehin zu den immer beliebteren Gutscheinen – oder zu Bargeld. Da gibt’s dann in Sachen Wert wenigstens kein Vertun.
Was aber Waldfogel sorgfältig verschweigt: Manchmal, aber ja doch. Selten genug erhalten wir sogar ein Geschenk, das uns mehr wert ist als das ausgegebene Geld. Weil es von einem besonderen Menschen kommt. Weil jemand etwas aufgespürt hat, das wir schon lange suchten – ein antiquarisches Buch, eine vergriffene Platte. Oder weil wir uns selbst dieses kleine Luxusgut selbst niemals gegönnt hätten – das idiotisch teure , rasend schicke Telefon, den pompösen Kugelgrill, den Paris-Kurztrip.
Weihnachtsgeschenke, Last Minute
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Gutscheine sind vernünftig - aber die Chance einen richtigen Volltreffer zu landen ist geringer
Natürlich kann man auch einfach nichts schenken. Oder Gutscheine. Das ist sicher vernünftig. Nur ist Weihnachten nicht gerade als Fest der Vernunft das geworden, was es uns heute ist. Weihnachten ist durchwoben mit Erinnerungen, Gerüchen, Gefühlen. In dem Moment, in dem wir das Papier eines Geschenks aufreißen, werden wir für Sekunden wieder zum Kind. Hoffen vielleicht für einen Moment, dass da eine echte Überraschung warten könnte. Ein Zeichen der Liebe jener, die über uns wachen. Womöglich sind Milliardenverluste sogar wenig angesichts der kleinen Chance, dass dieser Traum noch einmal wahr werden könnte.
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