Duisburg. . Er hat die Rhein-Kompanie in knapp zwei Jahren zum Prestige-Objekt des Opernhauses gemacht. Mit dem Ballett-Dreiteiler „b. 10“ führt Martin Schläpfer diese Erfolgsgeschichte nun fort. Premierenjubel in Duisburg.
Martin Schläpfer hat sich für die kommende Spielzeit in punkto Uraufführungen Zurückhaltung auferlegt. Zwar legt er mit Helmut Lachenmanns „Tanzsuite mit Deutschlandlied“ – dem Kernstück im neuen Ballett-Dreiteiler „b.10“ – erneut ein Bekenntnis zur Musik-Avantgarde ab. Doch kreierte der Chefchoreograph des Balletts am Rhein dieses Opus bereits 2005 in seiner Mainzer Zeit. Da er mit vier Uraufführungen in der letzten Saison an die Grenzen seiner Schaffenskraft gestoßen war, bringt er mit Lachenmann nun einen seiner Klassiker heraus. Ein Bravourstück, das nach sechs Jahren kein alter Hut ist, sondern lebendig, spritzig und auf der Höhe zeitgenössischer Tanzkunst. Das bewies die lebhaft gefeierte Premiere in der Duisburger Rheinoper. Von kultischer Verehrung für Schläpfer, der die Rhein-Kompanie in knapp zwei Jahren zum Prestige-Objekt des Opernhauses gemacht hatte, war allerdings nichts mehr zu spüren.
Es schrappt, fiept, klirrt
Brillant und voller Humor deutet Schläpfer Lachenmanns bizarre Suite. Er zitiert freizügig Tanzrhythmen aus mehreren Ländern, nimmt sie so auseinander, dass Polka, Walzer oder Tarantella wie auch das irgendwo verborgene Deutschlandlied nur Erinnerungsfetzen sind. Es schrappt, fiept, klirrt. Akkorde schwelen, gleißen, dröhnen. Doch bebildert Schläpfer nicht allein die Klangsplitter, er benutzt sie für freie Assoziationen. Extremes Ballett-Virtuosentum mischt sich dabei mit theatralischen und komödiantischen Bewegungen, die Tänzer schweben und strampeln, klappen wie Zinnfiguren zusammen. Bewegungs-Muster des Alltags wie Kaffeetrinken, Rauchen oder Gehen werden gebrochen, karikiert – und zerfallen. Zum Gesamtkunstwerk wird die kühne Kreation durch die Projektionen der Spektral-Farben von Keso Dekker und Christoph Schödel, die zur Musik auf den Punkt kommen und den Athleten in leuchtfarbigen Trikots als Folie dienen.
Himmelsstürmer
Eingebettet wird die Suite in Schläpfers Deutung von Alfred Schnittkes drittem Konzert für Klavier und Streichorchester und Jiri Kylians Choreographie zu Strawinskys Psalmen-Symphonie (gesungen vom Opernchor, gespielt von Duisburgs Symphonikern unter Wen-Pin Chien und dem Pianisten Denys Proshayev). Zu Schnittkes postmodern flirrender Tondichtung erzählt Schläpfer die Lebensstationen eines Paares, seine Liebe und seine Kämpfe, seine sensiblen, introvertierten und seine gewalttätigen Seiten. Sie treffen auf andere Paare, mutieren zu Himmelsstürmern, fallen zu Boden und verflüchtigen sich. Ein Opus aus dem Jahr 2000, das heute noch durch die Ausdruckskraft und tänzerische Meisterschaft, besonders von Yuko Kato und Remus Sucheanea, ein nachhaltiges Erlebnis beschert.