Köln. .

Mit dem langjährigen „Aspekte“-Moderator Wolfgang Herles schlägt das ZDF ein neues Kapitel der Literaturvermittlung auf. „Das blaue Sofa“ ist gestartet.

„Das blaue Sofa“ ist bisher vor allem Buchmesse-Besuchern ein Begriff: als Plauder-Platz für Autoren, die das Fernsehen nicht scheuen. Nun will Wolfgang Herles, langjähriger Aspekte-Moderator, aus dem Möbel eine Marke machen: Über die neue ZDF-Literatursendung, die Freitags um 23 Uhr läuft, sprach Britta Heidemann mit ihm.

Herr Herles, was lesen Sie gerade?

Nino Haratischwili, „Mein sanfter Zwilling“ – ich habe es gerade erst angefangen, es steht auf der inneren Shortlist für meine zweite Sendung.

Wie wählen Sie die Bücher aus?

Wichtig ist, dass ich über Bücher etwas erzähle, die mich wirklich packen. Und nicht, weil Leute meinen, das sei ein wichtiges Buch. Ich orientiere mich zum Beispiel gar nicht an der Longlist zum Buchpreis. Dort fehlen viele Bücher, die mir gefallen haben; Martin Walser zum Beispiel.

Es gab bisher zwei erfolgreiche Literaturvermittler beim ZDF: die gefühlvolle Frau Heidenreich und den polemischen Marcel Reich-Ranicki. Sie selbst sind bisher vor allem als politischer Kritiker bekannt…

Ja, das wird man der Sendung sicher auch anmerken. Was ich von diesen Legenden des Fernsehens lernen kann, ist, dass die Sendungen von der Persönlichkeit des Machenden leben. Das kann man nicht imitieren. Man kann nur versuchen, etwas zu finden, was der eigenen Persönlichkeit entspricht. Und da wird mein politisches Interesse bei der Art, wie ich Bücher bewerte, klar heraustreten. Ich fange ja gleich mit Ilija Trojanow an, wo es um das hochpolitische, aktuelle Thema des Klimawandels geht. Ich will aus Büchern nicht nur etwas über die Bauchnabel der Autoren erfahren, sondern etwas über die Welt, die Zeit. Ich will klüger werden.

Wären das Ihre Kriterien für gute Literatur?

Sprache ist natürlich auch etwas ganz Wichtiges. Ich werde in der Sendung ein Buch verreißen, nur weil mir die Sprache nicht passt.

Bei den „aspekten“ hatten sie eine Bandbreite von Themen, jetzt beschränken Sie sich auf die Literatur – warum?

Weil ich „aspekte“ jetzt im zwölften Jahr gemacht habe. Und es allerhöchste Zeit war, etwas Neues zu machen. Meinem Lebenslauf sieht man ja an, dass ich auf wahnsinnig vielen Hochzeiten getanzt habe – das will ich auf meine alten Tage nun nicht mehr. Sich am Schluss zu konzentrieren auf Literatur, das finde ich toll. Ob mir das so gelingt wie den großen Vorgängern, who knows. Aber man darf nicht schon die Hose voll haben, bevor es losgeht.

Sie sind ja auch Literaturchef beim Sender…

Ein großes Wort, das aber nur bedeutet, dass ich für meine Sendung selbst verantwortlich bin. Die Redaktion ist ja nicht gewaltig, außer mir gibt es noch zweieinhalb Redakteure.

Was setzten Sie sich zum Ziel der Sendung?

Zufrieden wäre ich mit 700 000 Zuschauern. Aber die Sendung wird nicht nur über die Quote, sondern auch durch qualitative Akzeptanz gemessen: bei den Verlagen, Händlern, Autoren. Ich mache keine Verkaufsshow – aber man soll schon merken, dass da etwas war.

Sie hatten vorhin Ihre Laufbahn als politischer Journalist erwähnt, die 1991 abrupt endete, weil Sie sich mit Kanzler Kohl überwarfen. Nervt es Sie, dass diese Geschichte jetzt immer wieder aufgewärmt wird?

Nein. Ich bin nach wie vor stolz darauf, als Leiter des Bonner ZDF-Studios dem mächtigen Kanzler widerstanden zu haben. Es war nicht leicht, so einen Konflikt auszuhalten, über die gesamte Strecke 89/90. Ich habe die Wiedervereinigung, so wie sie von Kohl exerziert wurde, sehr kritisch begleitet, auch in Büchern. Ich bin nicht so leicht einzuschüchtern.

Aber Sie mussten gehen.

Ich bin ja nicht in Sibirien gelandet, sondern in der Kultur – obwohl das für manche Menschen das gleiche ist. Aber ich sehe das nicht so. Ich wollte früher eigentlich Regisseur werden, und wurde dann durch Zufall politischer Journalist und freute mich über dieses Theater, das die da in Bonn aufführen – und merkte gar nicht, dass die nicht nur bellen auf der Bühne, sondern auch beißen. Aber das war eine tolle Erfahrung!

Sie haben bisher nicht nur politisch kritische Sachbücher, sondern auch vier Romane veröffentlicht. Kann man gleichzeitig Literatur schaffen und sie kritisieren?

Das habe ich mich schon gefragt. Wenn man selber schreibt, hat man ein besonderes Verhältnis zur Literatur. Und kann vielleicht eher eine große Zuhörerschaft emotional erreichen, wie man das im Fernsehen eben muss.

Was bedeutet das Schreiben für Sie?

Für mich ist Schreiben so etwas wie ein Lebensmittel. Ein Tag, an dessen Abend man nicht sagen kann, ich habe heute zwei oder drei wahre Sätze hingekriegt, das ist ein verlorener Tag.

Klingt nach Hemingway.

Dabei war der ja gar nicht beim Fernsehen. Da brauchen Sie ein intellektuelles Gegengewicht. Die Oberflächlichkeit des Mediums kann man gar keinem Sender speziell vorwerfen. Aber wenn Sie nicht abheben wollen und sich berauschen an den tollen Zuschauerzahlen und der Bekanntheit, dann brauchen Sie einen Ausgleichssport.

Zum Schluss: Was ist das Buch, das Sie am meisten beeindruckt hat?

Das sind natürlich diese frühen Bücher… Homo Faber war für mich ein gewaltiges Buch, das ich mehrmals gelesen habe. Ich habe mich dort wiedergefunden. Ich bin auch so ein Rationalist bis in die Knochen und muss immer sehen, dass ich meinen Emotionen Raum gebe. Da habe ich mich auch entwickelt, ich bin, hoffe ich, weicher geworden, offener.