Essen. . Die Emschergenossenschaft macht 40 000 Fotos zugänglich. Sie zeigen die Arbeitswelt des Reviers über ein Jahrhundert.

Die Köttelbecke ist ein Auslaufmodell. Die „Landschaft“, die Sie oben auf dem Foto sehen, wird bald – im Zuge des Emscherumbaus – endgültig verschwunden sein. Vielen Betrachtern wird diese Duisburger Aufnahme von 1955, aufgenommen auf Glasplatte, schon heute historisch erscheinen. Was bleibt, sind Bilder. 40 000 solcher Aufnahmen hat die Emschergenossenschaft gestern dem Ruhrmuseum übergeben. Sie dokumentieren den Mythos Ruhr – zwischen Verklärung und Kläranlage.

Von 1899 datiert das älteste Bild des Archivs; es zeigt faszinierenderweise: die Emscher. Im Naturzustand! Verdreckt, aber noch unbegradigt. Natürlich haben wir hier keine Kunstsammlung vor uns, sondern passenderweise das Produkt von Arbeit. Fotos von Ingenieuren und Bauarbeitern, die neben ihren Bauprojekten auch Landschaft festhielten, Überschwemmungen im Panorama, Kinder, die in der Bottroper Berne baden – in der Köttelbecke. Das Ruhrmuseum auf Zollverein hat natürlich schon eine große Fotosammlung, aber „uns fehlten die unspektakulären Ecken“, sagt Stiftungsdirektor Ulrich Borsdorf. Und bevor das nun unspektakulär klingt, muss man hinzufügen, dass vor den 20er Jahren Fotos fast nur im Auftrag von Unternehmen entstanden – und die schönen Seiten zeigen sollten. Der Emschergenossenschaft aber ging es um Dokumentation.

Glasplatten überstehen Bombenhagel

Es ist ein Wunder, dass dieser Fotoschatz erhalten blieb, im Krieg wurde die Zentrale an der Essener Kronprinzenstraße zerbombt. Im Keller aber blieben die Glasnegative weitgehend unversehrt ... und gerieten in Vergessenheit. Erst ab Beginn des Emscherumbaus 1992 erinnerte man sich an die fragilen Platten. „Als ich eine Schublade öffnete, hörte ich das Glas knirschen“, erinnert sich der Vorstandsvorsitzende Jochen Stemplewski.

2005 schließlich kam die Kooperation mit dem Ruhrmuseum zustande. Aber so ein Wust will sortiert, beschriftet und vor allem gesichert werden. Die Farbpigmente lagern ja in einer Gelatineschicht auf dem Glas – im Grunde ein Tortenguss, und so reagiert die Platte auf Wärme und Feuchtigkeit. Aber der Landschaftsverband Rheinland hatte ähnliches mal für seine Industriemuseen unternommen. Zwei Jahre und rund 100 000 Euro später lagern die Originale nun in einem gekühlten Raum, während die Bilddateien bald ins Internet gestellt werden sollen. Zugänglich für alle. In Ausstellungen verwendet das Ruhrmuseum sie auch schon. Die aktuelle: „Alles wieder anders. Fotografien aus der Zeit des Strukturwandels.“

Rund 160 000 Filmnegative hat die Emschergenossenschaft übrigens noch auf Lager. Viel Arbeit auch.