Bonn. . „Die gut gemalte Rübe ist so gut wie die gut gemalte Madonna“, postuliert Max Liebermann. Denn das Sujet ist ihm gleichgültig, was zählt ist die Malerei. Die Bonner Bundeskunsthalle feiert den Meister der Vielseitigkeit nun als „Wegbereiter der Moderne“.
Da blüht uns was auf dem Museum! Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht wachsen bereits im traulichen blauen Bunde. Von der Gartenbank aus wird man bald den Lavendel blühen sehen. Und zartgrüne Buchse umstellen die prallen Rosenbüsche.
So, wie es vor 100 Jahren einmal in Liebermanns Garten ausgesehen hat, so sieht es ansatzweise nun auch auf dem Dach der Bonner Bundeskunsthalle aus. Das ist ein schöner Coup mit einer noch schöneren Aussicht auf Drachenfels und Peichl-Türme. Und lässt uns die Einheit von Kunst und Natur in diesen schönen Vorsommertagen aufs Herrlichste genießen.
Zwei Etagen tiefer im Ausstellungssaal feiern sie Liebermann seit heute als „Wegbereiter der Moderne“. Dass er sich mit diesem Titel in eine ziemlich lange Schlange einreihen kann, weiß jeder, der die Impressionisten-Lust der deutschen Museen in den letzten Jahren verfolgt hat. Für Bonn hat der Titel vor allem den Charme, statt besonderer thematischer Tiefenbohrungen in die ganze beeindruckende Breite des Liebermann-Werkes zu gehen.
Rund 100 Gemälde, in 14 Themenbereiche gegliedert und ab Herbst dann in Hamburg zu sehen, zeigen die ganze Vielfalt des Künstlers, der für den Impressionismus immer schon ein bisschen zu reflektierend war und für den Expressionismus zu realistisch. Er war alles: Genre- und Landschaftsmaler. Er war bei Kunden und Kritik verschrien als „Apostel der Hässlichkeit“, später wurde er zum „Bildnismaler der Nation“. Er war erst Arme-Leute-Maler, dann „vollkommenster Bourgeois“. Das führte von graubraunen niederländischen Kartoffeläckern zu den sattgrünen hanseatischen Poloplätzen. Es war der Weg vom bäuerlichen Leben am Schweinekoben zur leinenleichten Muße an der Küste von Noordwijk, einem der bekanntesten Werke der Ausstellung, wie das immer wieder gern gesehene Gartenlokal an der Havel.
Die Schau hält aber auch Überraschungen bereit. Das Jesusbild etwa, mit dem Liebermann 1879 einen Eklat auslöst, weil er den Sohn Gottes als „naseweisen Juden-Jungen“ zeigt. Oder das anekdotische, kohlkarottensatte „Selbstporträt mit Küchenstillleben“. Das Geschenk an seine Mutter, die ihn als „Feinschmecker“ neckte, kommt als Leihgabe aus Gelsenkirchen. Dazu sieht man frühe Genrebilder aus Amsterdamer Waisenhäusern. Holland wird nicht seine Wahl-, aber seine Malheimat. „Auf den ersten Blick langweilig. In der Intimität liegt seine Schönheit Und wie das Land, so seine Leute: nichts Lautes, keine Pose, keine Phrase“, schwärmt Liebermann, dem alles Pathetische, Sentimentale verhasst ist.
Zurück zum Rittersporn und den roten Geranien
Zu den wahrlich modernen Zügen des jüdischen Textilunternehmer-Sohns gehört gewiss, dass er in seiner Kunst keine Klassenunterschiede macht. Die Gänserupferinnen – die ob ihres banalen Themas und der spröden Umsetzung 1872 noch einen Kunst-Skandal hervorrufen – die Näherinnen und Korbflechter im gedämpften Licht, sie sind ihm ebenso wichtig wie die Prominenz, die sich später nur zu gerne vor Liebermanns Leinwand wiederfindet, vom Chirurgen Ferdinand Sauerbruch bis zum Dichter Gerhart Hauptmann. Die Wertigkeit des Sujets ist Liebermann gleichgültig. Was zählt, ist die Malerei. „Die gut gemalte Rübe ist so gut wie die gut gemalte Madonna“, postuliert der Goethe-Bewunderer.
Und so kehrt er irgendwann wieder zurück zur Natur, zurück in seinen Künstlergarten am Wannsee. Zurück zum blauen Rittersporn und den roten Geranien, die die Familie nicht mag. Aber wer will auf die Farbe verzichten? Weil die Malerei doch nichts erfinden kann oder soll, was nicht in der Natur ist. Und so darf in diesem Sommer sogar ein Museum die schönsten Blüten träume pflegen.