Oberhausen. . Justin Bieber ist gerade 17 geworden, aber auf der Bühne wirkt er fast schon wie ein alter Hase. 11 000 vornehmlich weibliche Fans feierten das Deutschland-Debüt des Teenager-Schwarms in Oberhausen. Das Kreischen kannte keine Grenzen.

Vor dem Bieber-Konzert schnell noch den der neuesten Bieber-Biografie beiliegenden Bieber-Liebestest gemacht. Niederschmetterndes Ergebnis. Punkt- und chancenlos bei der Annäherung an ein 17-jähriges Teenageridol. Kathrin (13) und Nadia (12), die sich vom Papa aus Olpe nach Oberhausen haben fahren lassen, hätten zumindest auf dem Papier alles richtig gemacht. In Gegenwart von tausenden liebesrasenden Mädchen stellen sich eben auch Kritiker-Qualifikationen ganz neu.

11 000 Bieber-Expertinnen - sie nennen sich auch „Beliebers“ oder „Bieberettes“ - sind am Samstagabend in die Arena Oberhausen gekommen, um das gefeierte Deutschland-Debüt des kanadischen Teenieschwarms zu erleben. Es hätten noch sehr viel mehr sein können. Vor dem ersten Deutschland-Auftritt des Teenie-Schwarms stieg das Bieber-Fieber in den letzten Tagen praktisch stündlich. Auf Ebay wurden zuletzt horrende Summen für ein Ticket verlangt. Die Veranstalter aber hatten sich entschlossen, das Konzert komplett zu bestuhlen - zur Sicherheit der jungen Publikums. Die mehr als 100 Sicherheitskräfte und 46 Sanitäter hatten am Ende denn auch unerwartet wenig zu tun: Sieben kurzzeitig verarztete Liebeskranke, meldete Einsatzleiter Jens Bleckmann in der Nacht. Und die konnten nach kurzem Luftzuwedeln und gutem Zureden gleich wieder zurück in die Arena Oberhausen, an diesem Abend der Nabel der Bieberwelt.

„Justin, wir lieben dich!“

Die war bislang vor allem eine virtuelle, die der gerade 17-jährige Justin Bieber mit Youtube-Filmen und Facebook-Freunden bevölkert hat. „Oberhausen, are you ready for tonight?“, lautet am Samstag eine letzte Twitter-Botschaft. Wenn Bieber solche Merk-Sätze an seine Fans schickt, macht Sarahs Handy Geräusche, die wie Herzrasen klingen und man könnte den Eindruck gewinnen, dass das Display inwendig errötet. Überhaupt tut sich eine Lücke im sonst nicht angebotsarmen Bieber-Werbesortiment auf. Handys in Herzform wären das Angebot des Tages. Denn Herzenmachen ist Biebers Markenzeichen. Alle tragen die Herzen an diesem Tag nicht nur auf dem rechten Fleck, sondern auf der Wange, auf ihren selbst bemalten T-Shirts, auf pinkfarbenen Plakaten. „Justin, wir lieben dich!“ Und kreischen, kreischen, kreischen.

Justin Bieber - der Film

"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
Justin bei der Europa-Premiere des Films am 17. Februar in Paris.
Justin bei der Europa-Premiere des Films am 17. Februar in Paris. © AP/Chris Pizzello
"Never Say Never". © Paramount Pictures
Justin Bieber bei der Europa-Premiere des Films am 17. Februar in Paris.
Justin Bieber bei der Europa-Premiere des Films am 17. Februar in Paris. © Reuters
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
"Never Say Never". © Paramount Pictures
Begeisterte Fans bei der Filmpremiere in Paris.
Begeisterte Fans bei der Filmpremiere in Paris. © Reuters
Justin Bieber und der Regisseur des Film, Jon M. Chu, auf dem roten Teppich in Paris.
Justin Bieber und der Regisseur des Film, Jon M. Chu, auf dem roten Teppich in Paris. © Reuters
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Als um halb sieben in der Halle das Licht ausgeht, ist aus den ersten spitzen Schreien schon ein hysterisches Dröhnen geworden. Dabei dauert es noch eine Vorgruppe und 15 basswummernde Minuten Bieber-Countdown, bis er endlich auf der Bühne steht. Dunkle Brille, silberweißes Outfit, dabei erstaunlich cool und selbstbewusst. Mag die Highschool den 17-Jährigen auch länger nicht mehr gesehen haben. Für den Entertainment-Abschluss muss es eine Eins mit Sternchen gegeben haben, so präsent und markig wirkt er an diesem Abend.

Glockenklare Domspatzen-Stimme

Zumindest hat Bieber die richtigen Berater, die wissen, wie man ein Konzert beginnt, nämlich mit dem direkt auf Herz und Beine zielenden „Love Me“, einer Aufforderung, der die euphorischen Mädchen-Massen nur zu gerne folgen. Alles sitzt an diesem Abend. Die schmissigen Tanznummern wie das „Somebody To Love“, die aufgedrehten Hip-Hop-Titel wie „Eenie Meenie“ und die samtigen Balladen wie „Down To Earth“, effektvoll vorgetragen am weißen Klavier. Alles entfacht seine kalkulierte Wirkung, wie das fallengelassene Schweißtuch oder das artige Lob für die deutschen Fans, die besten der Welt zu sein. Hysterische Begeisterung!

Das mag für einen 17-Jährigen ein wenig einstudiert und ferngesteuert klingen, aber Bieber verpackt es zu einer tadellosen Show, die stimmlich und optisch wenig zu wünschen übrig lässt. Der Sound ist sauber, die Band darf ab und an sogar mal ein richtiges Gitarrengewitter loslassen, die vier Tänzer verbiegen sich vorbildlich, dazu überrascht die Show mit allerlei bemannten Flugobjekten. Dem großen Herzen natürlich, mit dem Bieber über den Köpfen seiner Fans schwebt und sein „Favorite Girl“ besingt. Allein mit seiner Akustik-Gitarre und dieser immer noch glockenklaren Domspatzen-Stimme. Es folgen Bieber-Schlagzeugsolo und die lautstark bejubelten Bieber-Kindervideos in Großaufnahme, auf denen man dem jungen Barden beim Trommeln auf dem Küchenstuhl zusieht.

Keine sexuellen Anzüglichkeiten

Auch das ist ein Teil seines Erfolges. Bieber ist ein Kind seiner Zeit. Einer, die nicht nur mit Youtube und Facebook groß geworden ist, sondern den die sozialen Netzwerke groß gemacht haben. Aus dem Tellerwäscher-Traum ist ein Twittertraum geworden. Gestern noch Straßenmusiker in einem kanadischen Kaff, heute umjubelter Superstar in den Konzertarenen der Welt. Bieber ist die Personifizierung dieser virtuellen Vision.

Musikalisch wirkt das Programm dabei so artig wie das engelsgleiche Antlitz des gefeierten Pop-Prinzen, der zumindest schon mal mit einem Song wie „Wanne Be Startin’ Somethin’“ erste Anwartschaft auf das große Michael Jackson-Erbe anmeldet.

Aber noch ist nichts Gewagtes, nichts Kühnes in Auftritt und Songs, die überaus geschmeidig in die Gehörgänge finden wie das einschmeichelnde „One Less Lonely Girl“ oder das sacht-seelenvolle „U Smile“. Bieber bietet auch keine sexuellen Anzüglichkeiten und Schnapsdrosseleien, mit denen sich seine weiblichen Kolleginnen von Lady Gaga bis Amy Winehouse schon mal ins Gespräch bringen. Was diese in deutschen Salons derzeit vermutlich meistgefragte Jungenfrisur-Vorlage zu bieten hat, ist bester FSK 12-Pop. Und weil die „Baby“-Zugabe noch vor 21 Uhr gesungen war, durften schon die 14-Jährigen ohne Begleitung eines Erwachsenen in die Halle. Jede einzelne schien am Ende mit dem Gefühl nach Hause zu entschweben, dass Justin Bieber an diesem Abend nur für die gesungen hat. Kreisch!