Berlin. . Die Berlinale war in diesem Jahr vor allem iranisch. Der Film „Nadar und Simin, eine Trennung“ von Asghar Fahadi räumte ab - die Jury stattete das Werk am Ende mit gleich drei „Bären“ aus. Zu Recht, findet unser Autor Arnold Hohmann.
„Diese Berlinale wird Geschichte machen als die ,iranische Berlinale‘“, hatte der Berliner „Tagesspiegel“ bereits Mitte letzter Woche gemutmaßt. Und damit nicht nur das willkürliche Wegsperren des Jurors Jafar Panahi in seinem Heimatland gemeint, sondern vor allem den iranischen Wettbewerbsbeitrag „Nadar und Simin, eine Trennung“ von Asghar Fahadi, der dem bis dahin zumeist trüben Wettbewerb um den „Goldenen Bären“ plötzlich eine neue Qualität verliehen hatte.
Das Ergebnis geht über die Erwartungen noch hinaus: Die Jury unter Vorsitz von Isabella Rossellini stattete Fahadis Werk am Ende mit gleich drei „Bären“ aus, darunter dem „Goldenen“ als bester Film sowie zwei „Silbernen“ sowohl für das männliche als auch für das weibliche Ensemble des Films.
Auch eine politische Entscheidung
Man könnte diese Häufung leicht als eine politische Entscheidung zugunsten eines Regisseurs missdeuten, der sich unmissverständlich mit dem inhaftierten Panahi solidarisch erklärt hat. Tatsächlich aber fußt die Begeisterung der Jury wohl eher auf ästhetischen Kriterien und der Kunst, mit der sich hier eine alltägliche Geschichte zu einem großen Schicksalspanorama für zwei Familien ganz unterschiedlicher Herkunft auswächst.
In einem komplizierten Konfliktfeld werden dabei Fragen nach Moral und Verantwortung, religiöser Tradition und rationaler Moderne, gesellschaftlicher Anpassung und individuellem Mut aufgeworfen – und unbeantwortet gelassen. Fahadi verweigert uns die eine gültige Wahrheit, er gibt dem Zuschauer vielmehr die Möglichkeit, sich auf die Seite verschiedener Protagonisten zu schlagen. „Nadar und Simin“ ist ein zutiefst menschlicher Film über die iranische Gesellschaft und ihre schier unlösbar scheinenden Probleme, der uns mehr über dieses Land erzählt als jedes politische Pamphlet.
Ausdruck höchster Not
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Es ist fast schon gute Sitte, noch nach jedem Filmfestival, sei’s selbst Cannes oder Venedig, mit der Auswahl der Filme zu hadern. Bei der Berlinale jedoch war der Wettbewerb in diesem Jahr schon mehr ein Ausdruck höchster Not. Eindeutig zu gering die Anzahl an Titeln, die Festival-Direktor Dieter Kosslick für den Wettbewerb hatte auftreiben können, kaum vorhanden die Namen bekannter Regisseure. Zu groß dabei aber dann trotzdem noch der Anteil jener alljährlichen Filme, die sich durch ihre pure Nichtigkeit als reine Platzhalter im Programmschema zu erkennen gaben.
Wie gut, da eine sachkundige Jury am Werk zu wissen, die im Prinzip die einzig möglichen Entscheidungen traf. Der „Große Preis der Jury“ für „Das Turiner Pferd“ des ungarischen Filmkünstlers Béla Tarr (55) sei da vor allem gepriesen. Tarr, mit seinen zumeist zeitlich ausufernden Werken sonst eher im Berlinale-Forum beheimatet, dreht gemeinhin nicht das, was man als Publikumsfilm bezeichnen könnte. Für seine sperrigen Arbeiten mit ihrem langsamen Rhythmus braucht man Geduld, die gerade auf einem Festival Mangelware ist. Wer beim „Turiner Pferd“ jedoch ausharrt, wo die allmähliche Rückentwicklung der Welt ins Chaos auch nur sechs Tage wie die Schöpfung braucht, der wird mit schwarzweißen Bildgemälden belohnt, die man so schnell nicht vergessen wird. Tarrs Kameramann Fred Kelemen bei der Bären-Vergabe zu übergehen, lag möglicherweise an dem Wunsch der Juroren, nach dem Schwerpunkt Iran die übrigen Preise nun möglichst breit zu streuen.
Auch der deutsche Film hat dadurch noch etwas abbekommen. Wenn man auch den Alfred-Bauer-Preis für Andres Veiels Prä-RAF-Film „Wer, wenn nicht wir“ nur schmunzelnd zur Kenntnis nehmen kann. Schließlich ist er für Filme gedacht, die „neue Perspektiven der Filmkunst“ eröffnen. Was auf dieses ganz gewöhnliche „Biopic“ um Bernward Vesper, Gudrun Ensslin und Andreas Baader nun wahrlich nicht zutrifft.