Dresden/Sevilla. Die Unesco hat das Dresdner Elbtal von der Liste des Welterbes gestrichen. Grund für den Verlust des Titels ist der Bau der umstrittenen Waldschlößchenbrücke. Nach Ansicht der UN-Organisation verschandelt die Brücke den Blick auf die Dresdner Altstadt und das Elbtal.
Rote Karte für einen Sündenfall: Dresden hat den Status als UNESCO-Weltkulturerbe verloren. Das Welterbekomitee erkannte dem Elbtal am Donnerstag im spanischen Sevilla den Titel nur fünf Jahre nach der Aufnahme wieder ab. Grund ist der Bau einer vierspurigen Autobrücke mitten ins Welterbegebiet. Deswegen stand das Elbtal bereits seit drei Jahren auf der Roten Liste der gefährdeten Stätten. Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Parteien und Verbände reagierten mit Bedauern, aber auch mit Kritik an dem Bau der Waldschlößchenbrücke.
Die Delegierten aus 21 Staaten folgten nach langer Diskussion einer Beschlussempfehlung des Welterbezentrums in Paris. Für die Streichung gab es 14 Stimmen, fünf dagegen bei zwei Enthaltungen. Entschieden wurde auch, dass sich Dresden künftig erneut um den Titel bewerben. Dazu müssten aber die Kriterien eines Welterbes erfüllt sein, hieß es. Das Gremium hatte zuvor deutlich gemacht, dass es den Welterbetitel und die Brücke für unvereinbar hält.
Es ist erst das zweite Mal, dass die UNESCO den prestigeträchtigen Titel aberkannt hat: 2007 war Oman davon betroffen, weil es ein Antilopenschutzgebiet stark eingeschränkt hatte. Die deutsche Delegation hatte zuvor vergeblich versucht, einen weiteren Aufschub zu erreichen. Auch die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz warb für eine erneute Vertagung bis zur Fertigstellung der Brücke. Die CDU-Politikerin erklärte im Anschluss, sie bedauere die Entscheidung. Dresden habe den Titel «voller Stolz getragen». Man werde ungeachtet der Entscheidung das Elbtal weiterhin schützen und bewahren.
Demonstration für Tunnel
Ob Dresden einen neuen Anlauf unternimmt, ist ungewiss. Orosz betonte, dies wäre nur vertretbar, wenn eine große Mehrheit der Dresdner dies mittragen würde. Umweltaktivisten und Dresdner Bürgerinitiativen kündigten an, das Engagement gegen die Brücke fortzusetzen. Derzeit ist noch eine Klage von Naturschutzverbänden gegen das Bauwerk anhängig. Achim Weber von der Grünen Liga Sachsen sagte: «Brücke weg bedeutet Welterbe wieder da.»
Am Abend demonstrierten in Dresden mehrere hundert Menschen für einen Tunnel. Die Teilnehmer trugen unter anderem Dresden-Fahnen mit einem Trauerflor. Trotz massiver Intervention der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur war Ende 2007 mit dem Brückenbau begonnen worden. Vor einem Jahr hatte das Welterbekomitee Dresden eine letzte Frist gesetzt, die Dresden verstreichen ließ.
SPD wirft Merkel Versäumnis vor
Kulturstaatsminister Neumann (CDU) sagte: «Es ist mehr als bedauerlich, dass die Beteiligten außerstande waren, einen Kompromiss zu finden.» Der Bund habe leider keinen direkten Einfluss auf das Brückenprojekt nehmen können, weil die Länder und Kommunen allein zuständig seien.
Die Deutsche UNESCO-Kommission bedauerte die Entscheidung. Präsident Walter Hirche betonte aber zugleich, die Entscheidung komme leider nicht völlig überraschend. Die SPD sprach von einem «peinlichen Debakel». Der internationale Image-Schaden für Deutschland als Kulturnation sei enorm. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kritisierte: «Es war mehr als genug Zeit für Sachsen und die Stadt Dresden, mit der UNESCO zu einem Kompromiss zu gelangen.»
Kritik kam auch von den Grünen, die den Verantwortlichen für den Brückenbau Sturheit und Uneinsichtigkeit vorwarfen. Die Linken sprachen von einem hausgemachten Skandal und einer Schmach für die Kulturnation Deutschland. Die Präsidentin des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz und sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange, meinte, die Stadt Dresden sei sehenden Auges ins Verderben gelaufen. «Das ist ein schwarzer Tag für das Kulturland Sachsen und Deutschland als Kulturnation.» (ap)