Bayreuth. Generationswechsel auf dem Grünen Hügel: Die Wagner-Schwestern Katharina und Eva starten ihre Intendanz mit einer Kinderoper.
Die größten Wagnisse dieses großen Wagner-Festes sind inzwischen vermutlich modischer Natur: Was sagt man zum Zebra-Look von Margot Werner? Setzt die Kanzlerin einen neuen Handtaschen-Trend? Und wer hat dem modelhaften Auftritt der zu Guttenberg-Gattin Stephanie etwas entgegenzusetzen? Die neuen Bayreuth-Chefinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier gaben sich bei ihrer ersten gemeinsamen Bayreuth-Eröfnung tief dekolletiert, aber inhaltlich recht verschlossen. Die mit Spannung erwartete Eröffnungs-Pressekonferenz der Wagner-Urenkelinnen fiel denkbar knapp aus.
Dabei ist die Liste der Neuerungen, für die die Halbschwestern stehen, lang. Zum erneuerten Erscheinungsbild samt erweitertem Rahmenprogramm gehören der Online-Auftritt ebenso wie „Public-Viewing"-Übertragungen.
Die wesentlichste Neuerung der 98. Bayreuther Festspiele betrifft aber die Kinderoper, die mit einer rund 70-minütigen Fassung des „Fliegenden Holländers" als Versuchsballon auf einer umgebauten Probebühne gestartet wurde. Die Kinder waren bei der Premiere zahlenmäßig den Pressever tretern und Politikern (inklusive Familienministerin Ursula von der Leyen) noch hoffnungslos unterlegen, doch mischten sie sich munter in die Handlung ein.
Handlungsdichte und Gespensterspuk
Begehrte Karten
Zehn Jahre Wartezeit
Für die 1985 Plätze im Festspielhaus gab es in diesem Jahr 438 136 Kartenwünsche - zwei Prozent weniger als 2008. Die Bestellungen kamen aus 80 Ländern. Rund 54 000 Karten stehen bis Ende August zur Verfügung. Die Wartezeit für Erstbesteller liegt bei fast 10 Jahren.
Die Fassung wurde zusammen mit dem Studiengang Musiktheaterregie der Hanns Eisler Musikhochschule Berlin erarbeitet, die pfiffigen Kostüme stammen aus einem bundesweiten Schülerwettbewerb. Der „Holländer" mit seiner Handlungsdichte und seinem Gespensterspuk bietet ideale Bedingungen für einen Einstieg in die komplizierte Welt Richard Wagners. Umso gespannter darf man auf Kinderfassungen „harter" Brocken wie dem „Parsifal" warten, die für die nächsten Jahre vorgesehen sind.
Mit dem „Holländer" gab man sich jedenfalls redlich Mühe. Der Steuermann erzählt die Geschichte aus seiner Erinnerung heraus, wobei man den emotionalen Höhenflügen der hochromantischen Story ein wenig die Zähne zog. Senta (mit kerngesunder Stimme: Anna Gabler) präsentiert sich als munter schwärmender Teenie, der mit dem Holländer (recht undeutlich artikulierend: Dmitri Orlov) am Ende durch ein Fenster dem spießigen Dorfmief entflieht.
Einbindung der Kinder
Wichtig, dass auch ein Chor und ein verkleinertes Orchester mitmischten. Noch wichtiger, dass die Kinder eingebunden wurden. Sie durften Kulissen verschieben, die Windmaschine bedienen und die Handlung kommentieren. Der Ansatz stimmte, auch wenn man sich eine noch intensivere Ansprache vorstellen könnte.
Die zehn Kinder-Vorstellungen waren ebenso schnell ausverkauft wie die Aufführungen für die Großen. Die konnten sich an der fast fünf Jahre alten „Tristan"-Inszenierung von Christoph Marthaler und zuvor an dem Einzug der Gäste erfreuen, darunter FDP-Chef Guido Westerwelle, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias.
Isolation der Figuren
Einzige optische Änderung in Marthalers „Tristan" nach Publikumsbeschwerden: Ein Rettungsring deklariert das abstrakte Bühnenbild von Anna Viebrock eindeutig als Schiffslandschaft. Ansonsten droht Marthalers minimalistische, aber präzis ausgeführte Personenführung ohne seinen direkten Einfluss immer stärker in bloßer Bewegungslosigkeit zu erstarren. Immer noch faszinierend, wie konsequent er die Isolation der Figuren über zwei Akte durchhält, wie er der ekstatischen Musik einen Kontrapunkt der Ruhe gegenüberstellt. Atmosphärisch lässt einen der „Tristan", noch dazu im Zuge etlicher Verschleißerscheinungen, jedoch kalt wie eine Hundeschnauze.