Hagen. Warum geht Thalia nach Dortmund? Der Thalia-Chef nennt die Gründe, warum er keine Mitarbeiter mehr für den Standort Hagen findet.
Die Bezeichnung „mit Sitz in Hagen“ ist in wenigen Jahren Geschichte für das Buchhandelsunternehmen Thalia. Denn der mit 394 eigenen Buchhandlungen größte Filialist (online und stationär) im deutschsprachigen Raum verlässt Hagen und verlegt seine Zentrale Mitte 2028 nach Dortmund. Die Buchhandlung in der Hagener Innenstadt wird bleiben. Ingo Kretzschmar, Vorsitzender der Geschäftsführung von Thalia, ist Hagener. Im Interview erläutert er, warum es keine Alternative dazu gebe, seiner Heimatstadt geschäftlich den Rücken zuzukehren.
Die Stadt Hagen steckt tief in der Krise. Und jetzt wandert mit der Thalia-Zentrale ein weiteres Hagener Traditions-Unternehmen ab. Wäre es nicht ein Akt der Solidarität, Hagen die Treue zu halten?
Ingo Kretzschmar: Ich bin Hagener. Als Mensch ist mir die Entscheidung nicht leichtgefallen. Aber für das Unternehmen Thalia ist es am Ende die richtige Entscheidung, nach Dortmund zu ziehen. Auch, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Es ist schon jetzt immer schwieriger, Mitarbeiter für den Standort Hagen zu finden, und auch beispielsweise die zu erwartenden Verkehrsprobleme der nächsten Jahre mit gleich drei Brückensanierungen machen es nicht einfacher.
500 Mitarbeiter in Hagener Zentrale
Die Thalia-Zentrale verlässt den angestammten Firmensitz Hagen. Neuer Standort für die Zentralverwaltung des Buchhandelsfilialisten wird ab Mitte 2028 Dortmund. Das teilte das Unternehmen gestern mit. „Nach intensiver Prüfung verschiedener Alternativen fiel die Entscheidung auf das ehemalige Bundesbankgebäude in der Dortmunder Innenstadt. Thalia hatte in Hagen lange, aber am Ende erfolglos nach einer Alternative zu den Räumlichkeiten der Zentrale in Hagen-Bathey gesucht“, so heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Am Zentralstandort Hagen sind aktuell 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Sie kommen überwiegend aus Hagen und der näheren Umgebung, aber auch aus dem Sauerland und dem Ruhrgebiet.
Thalia betont, die Verbindung zu Hagen bleibe bestehen. Die Buchhandlung in der Fußgängerzone bleibe am Standort. Auch bei Phoenix Hagen und der BBA sei Thalia künftig weiterhin als Sponsor aktiv.
Das Buchhandels-Unternehmen Thalia ist Marktführer im deutschsprachigen Raum. 6800 Mitarbeitende arbeiten in aktuell 394 eigenen Buchhandlungen in Deutschland und Österreich, dazu kommen Anteile an rund 60 Buchhandlungen in der Schweiz.
Warum wollen die Mitarbeitenden nicht nach Hagen?
Es gibt an unserem derzeitigen Standort in Hagen-Bathey keine Infrastruktur mit Cafés und Geschäften. Mit dem Bus braucht man eine Dreiviertelstunde vom Bahnhof bis nach Bathey. In Dortmund gehen wir in das ehemalige Bundesbankgebäude in der Innenstadt. Das ist nur wenige Fußminuten vom Bahnhof entfernt, und es gibt eine gute Infrastruktur im Umfeld. Wir wollen auch selbst Teil dieser Infrastruktur werden, indem wir Lesungen anbieten und ein Café dort eröffnen.

In Hagen stehen ebenfalls Gebäude leer, und es gibt Brachflächen. Warum kam keines dieser Objekte in Betracht?
Die Wirtschaftsförderung hat sich wirklich bemüht. Aber das Problem in Hagen ist folgendes: Es gibt keine Immobilienentwickler, die sich in Hagen engagieren wollen. Wir haben keine Fläche bekommen, hinter der ein Entwickler steht. In Dortmund haben wir uns acht Objekte angesehen und für alle gab es bereits Kooperationen mit Immobilienentwicklern.
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Warum sind Entwickler so wichtig?
Ein altes Gebäude oder Grundstück allein bringt uns nichts. Es macht keinen Sinn, dass wir das selbst bebauen oder umbauen. Das ist das Problem. Deshalb haben wir am Ende nichts finden können. Und den alten Standort hier umbauen? Wir können für einen geringen Mehrbetrag an Miete nach Dortmund gehen. Aber entscheidend war letztlich, dass wir am neuen Standort eine wesentlich bessere Infrastruktur sowie ein deutlich attraktiveres Umfeld für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben.

Wie könnte die Stadt Hagen denn gegensteuern?
In einer solchen Situation müsste die Stadt selbst Gebäude oder Flächen kaufen und entwickeln. Wir hatten uns für das Westside-Areal in Bahnhofsnähe interessiert. Aber die Entwicklungspläne kamen nicht wie erwartet voran. Deshalb ist das gescheitert. Die Stadt hatte unseres Wissens auch Pläne, das Bundesbankgebäude in Hagen zu kaufen, aber das scheiterte mutmaßlich wohl an den finanziellen Mitteln.
Sie sagen, dass Sie sich vor den nächsten Jahren sorgen, die Sie noch in Hagen Ihren Sitz haben. Warum?
Die erwartbaren Verkehrsprobleme machen mir Sorgen. Die Altenhagener Hochbrücke wird abgerissen sowie die Badstraßen-Brücke und die Fuhrparkbrücke saniert. Die erforderlichen Sperrungen werden unsere Erreichbarkeit stark beeinträchtigen, das wird nicht leicht für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und damit kommen wir zum nächsten Problem.
„Entscheidend war letztlich, dass wir am neuen Standort eine wesentlich bessere Infrastruktur sowie ein deutlich attraktiveres Umfeld für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben.“
Und das wäre?
Aus meiner Sicht sorgen die Verwaltungsstrukturen hier in Hagen einfach dafür, dass vieles zu lange dauert.
Sie persönlich werden aber weiter in Hagen wohnen?
Ja, und mich auch weiter persönlich in der Stadt engagieren, für den Sport und für die Kultur.
Wie wollen Sie die Zentrale in Dortmund künftig aufstellen?
Die neuen Räumlichkeiten bieten moderne Arbeitswelten, einen begrünten Innenhof und auch eine Eventfläche mit bis zu 200 Sitzplätzen. Wir wollen unter anderem eine Veranstaltungsreihe etablieren, einmal im Monat öffentliche Lesungen anbieten. Dabei wollen wir auch mit den Büchereien zusammenarbeiten. Im Foyer wird es ein großes Café mit einer Musterbuchhandlung geben. Wir wollen eine echte Begegnungsstätte sein, ein Treffpunkt in der Nähe – so, wie man es auch von unseren Buchhandlungen kennt. Und damit auch unseren Beitrag zur Attraktivität der Dortmunder Innenstadt leisten.