Essen. Die Selfmade-Millionärin liefert mit „Schlau aber Blond“ ein hochprofessionelles, aber sehr glattes Produkt für die Generation Z ab.
Es mag leicht fallen, Shirin David nicht zu mögen. Sei es aus Neid, aus zu oberflächlicher Beschäftigung mit ihrem Lebenswerk oder aus misogyner Ideologie. Denn wie viele Frauen verzeichnen 6,6 Millionen Fans auf Instagram und feiern einen Nummer-eins-Hit nach dem anderen? Die Hamburgerin ist medial omnipräsent, heimst wiederholt lukrative Sponsoren-Deals mit Weltfirmen wie McDonald‘s ein, baute eigene Marken wie den Eistee „Dirtea“ auf. Sie gilt gleichermaßen als Feministin wie als Verräterin am Feminismus – je nach Definition.
Kurz gesagt: Aktuell polarisiert in der deutschsprachigen Popkultur kaum jemand mehr als Shirin David. Dies spätestens seit dem Sommerhit „Bauch Beine Po“. Formuliert die 29-Jährige darin Kritik an vorherrschenden Schönheitsidealen, obgleich sie sich schon mehrfach für kosmetische Veränderungen operieren ließ? Eine präzise Antwort auf diese Frage gab die Künstlerin bislang nicht, sie schildert im Song einfach „meinen perfekten Tag, wenn ich einfach mal einen ohne Termine hätte“, wie sie in einem aktuellen Youtube-Video verrät.
Shirin David auf „Schlau aber Blond“: Mehr Leichtigkeit, mehr Selbstbewusstsein
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Auf ihrem dritten Studioalbum „Schlau aber Blond“ will sie „alles rauslassen, was sie zuletzt extrem gestresst oder gestört hat“. David präsentiert sich in den meisten der 14 Songs überbordend selbstbewusst, lyrisch wie gewohnt unterstützt von Rapper Laas Unltd. Sie ist zu Recht stolz auf das, was sie erreicht hat. Beginnend 2014 mit einem Youtube-Kanal, bislang kulminierend in einer ausverkauften Hallen-Livetournee im Herbst 2023, für die sie wohlwollende Kritiken einfuhr. „Ich kaufe kein Designerkleid, mich kleidet der Designer ein“, heißt es beispielsweise im Opener „Iconic“, in dem David ihr Leben als Selfmade-Millionärin mit allen Vor- und Nachteilen schildert. Weiter: „Ich bin reich und unbeliebt, auf Titelseiten in Paris.“
Nicht nur in Paris: Auch auf das Cover des deutschen „Forbes“-Wirtschaftsmagazins hat sie es bereits geschafft. Als junge, blonde Frau, die oft weder als Geschäftsfrau noch als Musikerin ernstgenommen wurde, der es nun nachvollziehbar Spaß bereitet, vom erreichten Thron aus nach denen zu treten, die sie einst verspotteten und bis heute an ihr herummäkeln. Eine Abrechnung mit besorgten Eltern, die sie als schlechtes Vorbild bezeichnen, darf da nicht fehlen: „Nur weil du selbst dumm bist, ist dein Kind noch lang kein Trottel“, rappt sie im abschließenden Song „FSK16“.
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Der zeigt Shirin David von einer angenehm bissigen Seite, die auf „Schlau aber Blond“ des Öfteren gegenüber poppigen Klängen zurückstecken muss. Was von ihr diesmal aber ausdrücklich erwünscht ist: „Das Album soll mehr Leichtigkeit in euer Leben bringen, wenn Ihr es hört“, sagt sie – und das merkt man. Packendes, tiefgründiges Storytelling mit druckvollem Rap, wie es David beim Vorgängeralbum „Bitches brauchen Rap“ insbesondere im Song „Bramfeld Stories“ präsentierte, erhält auf der neuen LP leider kaum noch Platz.
Shirin David: „Schlau aber Blond“ ist Talentverschwendung
Vieles ist auf Massentauglichkeit und heutige Hörgewohnheiten der Generation Z getrimmt. Schnörkellose Songstrukturen, viele Anglizismen und Jugendsprache in den Texten, viel Gefühlsduselei, kein Song erreicht die Drei-Minuten-Marke. Das lyrisch unsägliche, nahezu jedes unangenehme Gender-Klischee reproduzierende „Atzen & Barbies“ mit Monotonie-Rap-Inseltalent Ski Aggu sticht besonders negativ heraus.
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Positiv hingegen: Die Instrumentals des etablierten Produzententeams The Cratez liefern Abwechslung und schallen glasklar aus den Boxen. Ins treibende „Bauch Beine Po“-Muster passen die discoiden „Iconic“ und „GRWM“ („Get Ready With Me“), das bereits erwähnte „FSK 16“ läuft auf Afrobeat. Für Stücke wie „Größter Fehler“, „It Girl“ (mit Pop-Rapper Sampagne) oder „Küss mich doch“ mit „Dadadi dadada“-Einschub hat das Duo eingängige, sommerliche Beats gebaut, die niemandem wehtun. Dazu kommt Davids stets überaus solide Pop-Gesangsperformance, die im Vergleich zu „Bitches brauchen Rap“ leider zu oft vom Einsatz des heute so unvermeidlichen Autotune-Effekts moduliert wird.
So ist „Schlau aber blond“ insgesamt ein hochprofessionell gefertigtes Produkt, das die Streaming-Charts in den kommenden Wochen beherrschen wird, Davids Talent als Rapperin wie Sängerin aber nur ansatzweise zeigt. Wer sich von ihren Live-Qualitäten überzeugen will: Karten für die Konzerte in Köln (1.4. Lanxess Arena), Oberhausen (4.4. Rudolf Weber-Arena) und Dortmund (22.4 Westfalenhalle) gibt es ab ca. 75 Euro.
Wertung: 3/5 Punkten.