Rolandseck. Der weltberühmte Fotograf zeigt im Arp-Museum, wie er sorgfältig plant, um ausgerechnet dem Zufall eine Chance zu geben. Ein Widerspruch? I wo.
Er selbst nennt sich einen „kaltblütigen Romantiker“ und er plant mit großer Sorgfalt, wie er den Zufall von Wind, Wetter und Wolken in seine Bilder integrieren kann. Von Axel Hütte ist die Rede, in Essen geboren, in Düsseldorf ausgebildet. In der ehemaligen Kraftzentrale an der Hansaallee in Düsseldorf-Oberkassel, wo auch Andreas Gursky, Thomas Ruff und Laurenz Berges ihr Ateliers haben..
Nun zeigt das Arp-Museum Rolandseck zwei zunächst sehr gegensätzlich erscheinende Serien und vier Videos des hochrenommierten Künstlers. Entstanden sind die Arbeiten zwischen 1997 und 2020. Den größten Eindruck machen dabei mit Sicherheit die großformatigen Landschaftsbilder, deren Pointe lauten könnte: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“

Axel Hütte ist für diese Werke hinausgezogen in die Welt, 25 Kilo Ausrüstung der Plattenkamera dabei und hat gesucht nach Orten, die ihn fotografisch reizen. Die menschenleer sind und beinahe nichts zeigen. Wie bei geheimnisvollen Spiegelungen auf dem Wasser des Blautopfs in Süddeutschland. Wie der Blick über die Eiswüste der Antarktis, weiße Fläche, aufgetürmte Schollen und darüber ein weiter, weißer Himmel. Nichts. Oder fast nichts: Es sind Bilder, die zum Eintauchen einladen, auffordern, Nuancen zu entdecken und es gerade wegen ihrer Leere den Betrachtenden leichter machen, sich zu fragen: Was sehe ich eigentlich?
Der Rhein, der sich im Nebel zu erkennen gibt
Wer an Caspar David Friedrichs „Wanderer im Nebelmeer“, das „Eismeer“ und ähnliche Werke denkt, ist wohl auf der richtigen Fährte. Nur lässt Axel Hütte den Betrachter auch noch weg: Menschen sucht man auf den Bildern vergeblich. Er wartet lieber auf die Wolke, die den Blick aufs Bergmassiv in den Alpen genau so weit verbirgt, dass die Fantasie auch diesen Raum einnimmt. Oder er lauscht eine Woche dem Wetterbericht, um genau dann in Ingelheim am Mittelrhein zu sein, wenn eine Inversionswetterlage dafür sorgt, dass aus dem Rhein der Morgennebel steigt und den Fluss verbirgt und ihn doch, aber indirekt zeigt.

Hütte geht es um die „atmosphärische Nachvollziehbarkeit der Landschaft“, die großen Bildformate von teilweise mehr als zwei Metern Breite ermöglichen das Eintauchen des Betrachters. Das Beste für die Wirkung wäre es wohl, Besucher nur einzeln und mit Schweigegelübde ins Museum einzulassen. Eine ähnliche Präsenz hatte vor vielen Jahren eine Ausstellung seiner Werke im Museum Kurhaus Kleve.
Etwas anders gelagert ist der Fall bei seinen drei Bildern aus der Brückenserie. In Frankreich, Japan und Australien hat er jeweils Gitterkastenbrücken fotografiert, von der Seite, manchmal mit Hubwagen, damit Ober- und Unterträger zu Bildrändern werden und den Blick versperrend, zumindest aber irritieren, was in diesem Falle jenseits der Brücke liegt. Eben nicht das Widerlager, sondern ein Ausschnitt des Überbrückten.

Technisch und inhaltlich ein drastischer Kontrast zu den Landschaftsbildern, die auf pastellfarbenen Wänden zur Geltung gebracht werden, stehen die zehn Fotografien der „Flowers“. Hütte, der Pendler zwischen Berlin und Düsseldorf, hat so aus den zurückgelassenen, vertrockneten Blumen Kunstwerke gemacht; die getrockneten Stängel und Blüten mit der Digitalkamera fotografiert und die Farben umgekehrt: Nun wird aus orangen Strelitzien ein geheimnisvolles blaues Gewächs auf schwarzem Grund, nachgezeichnet durch einen leichten grauen Schleier, der eigentlich der Schatten auf dem weißen Papier war. Auf Aluminium aufgezogen, schimmern diese Blüten in geheimnisvollem Glanz.
Und dazu vertrocknete Blumen und verschwimmende Videos
Und das Arp-Museum kann mit noch eine Spezialität aufwarten: Einst in der Filmklasse der Düsseldorfer Kunstakademie gestartet, wechselte er bald in die Fotografie-Klasse von Bernd Becher. In Rolandseck indes zeigt er jetzt vier Video-Arbeiten, meist zwischen fünf und zehn Minuten lang, mit denen er zwischen 2014 und 2018 zu seinen Ursprüngen zurückkehrte. So fallen in „A whiter shade of pale“ Schneeflocken auf die Kamera, die auf einen Winterwald gerichtet ist.

Das Video „Detroit“ lässt die Lichter der Skyline der US-Metropole bei Nacht abwechselnd an Schärfe gewinnen und wieder im Regen zu Lichtpunkten verschwimmen. Ergänzt werden die Bilder durch elektronische Klänge der Komponisten Detlef Weinrich und Phillip Schulze.
Das Museum, die Zeiten, die Preise und das Künstlergespräch
Arp-Museum Bahnhof Rolandseck, Hans-Arp-Allee 1 53424, di.-so. 11 bis 18 Uhr, Eintritt: 12 €, dienstags 9 Euro. freier Eintritt für Studierende, Auszubildende. Die Ausstellung läuft bis zum 15. Juni. Am Sonntag, 27. April, um 15 Uhr gibt es ein Künstlergespräch mit Axel Hütte und Kuratorin Jutta Mattern. Das komplette Programm: arpmuseum.org