Köln. Wie schon in München sitzt Pete Doherty auch in Köln das gesamte Konzert über in einem Sessel. Warum, das erklärt er den Fans knapp auf Deutsch.
Die rührendste Szene haben sich The Libertines für das Ende aufgespart: Gestützt auf Carl Barât, humpelt Pete Doherty von der Bühne im Kölner Carlswerk Victoria. Ein versöhnliches Bild, schließlich haben die beiden turbulente Zeiten hinter sich. Dohertys Drogensucht, viele Streitereien und ein mit kurzem Gefängnisaufenthalt geahndeter Einbruch des einstigen Skandal-Musikers bei seinem Bandkollegen mündeten zeitweise im Aus der britischen Indierockband.
Und so kommt die Nervosität einiger Fans nicht von ungefähr, als Doherty zu Beginn des Konzerts auf den ersten Blick gar nicht auszumachen ist. Viele hier haben schon vor Bühnen auf ihn gewartet, ob als Frontmann der Libertines oder der Babyshambles, oft vergeblich. Am Sonntagabend aber ist er da, wenngleich etwas weniger beweglich als sonst: „Kranken Fuß“ ruft er seinen Fans auf Deutsch zu und fläzt sich samt E-Gitarre sogleich wieder in einen Ledersessel, um „The Delaney“ anzustimmen. Wie schon am Vorabend in München verbringt Doherty auch das letzte der insgesamt vier Deutschlandkonzert sitzend.
Carl Barât fängt verminderte Bühnenpräsenz Dohertys problemlos auf
- Was International Music über Rüttenscheid denken
- Neues Album der Pixies: Im zweiten Leben, aber nie erwachsen
- „Die Sterne“: Erstes Indiepop-Konzert in der Villa Hügel

Damit gibt er auch Carl Barât viel Raum, der stimmlich und musikalisch stark Dohertys verminderte Bühnenpräsenz auffängt. Barât spielt neben der Leadgitarre an diesem Abend noch Saxofon und Klavier, begleitet Doherty etwa bei der Ballade „You’re My Waterloo“ an den Tasten. Vor allem in der ersten Konzerthälfte füllt seine kraftvolle Stimme den Raum im mit rund 1300 Fans seit Wochen ausverkauftem Carlswerk Viktoria. Auch bei Drummer Gary Powell und Bassist John Hassall sind keine Anzeichen von Tourmüdigkeit auszumachen: Bei „The Good Old Days“ tobt sich Powell – ein Hingucker im froschgrünen Adidas-Jogger – an seinen Trommeln aus, ist voll im Moment.
Auch interessant

Beim einzigen NRW-Gig in Köln, „unserem letzten in Deutschland für eine Weile“, haben die Libertines ein ordentliches Brett für ihre Fans dabei: 17 Songs samt sechs Liedern Zugabe bieten einen guten Querschnitt durch ihre turbulente Bandgeschichte. Dabei wirken die mittlerweile ergrauten und im Fall von Doherty auch deutlich rundlicheren Musiker endlich angekommen. Ebenso wie mit dem 2024 veröffentlichten Album „All Quiet on the Eastern Esplanade“ beweisen vor allem Doherty und Barât, dass sie nur gemeinsam genial sein können. Immer wieder suchen die beiden den Kontakt, singen Seite an Seite ins Mikro, versichert sich Barât, dass beim einstigen Enfant terrible „alles okay“ ist.
Nicht nur das Bild im Sessel belegt, dass es mit den wilden Zeiten Dohertys wohl endgültig vorbei zu sein scheint: Mit Mineralwasser im Plastikbecher prostet er den Fans zu, gönnt sich hin und wieder lediglich einen Zug an seinem bunt beleuchteten Verdampfer. Stimmlich kommt Doherty erst in der zweiten Konzerthälfte richtig in Form, fehlt ihm zunächst die britisch-nasale Rotzigkeit, für die er so bekannt ist. Gut, dass er nicht allein auf der Bühne sitzt.