Dortmund. Mit einem Appell zur Rettung der Clubszene hat der Tresor West mehr als eine Million Menschen erreicht. Die Rettungsaktion ist ungewöhnlich.
- Der Dortmunder Club Tresor West macht mit einer Rettungsaktion auf das Clubsterben aufmerksam.
- Freier Eintritt und regionale DJs sind das Konzept der „Community Nights“ die am 11., 18. und 25.1. laufen.
- Die Clubbetreiber sehen auch die Politik in der Pflicht, Clubs als kulturelle Einrichtungen anzuerkennen und zu fördern.
Mit einer ungewöhnlichen Rettungsaktion kämpft der Dortmunder Club Tresor West ums Überleben: Mit freiem Eintritt, regionalen DJs und unangekündigten Line-Ups hoffen Clubbetreiber Leonard Raffel, der künstlerische Leiter Sinam Hüls und ihr Team auf Unterstützung. An den Samstagen im Januar (11., 18. und 25.1.) laufen die sogenannten „Community Nights“, die der Club als „radikales Experiment für eine nachhaltige Zukunft“ bezeichnet.
Mehr als eine Million Menschen haben den von Tresor West veröffentlichten Appell auf Instagram mittlerweile gesehen, tausende gelikt und geteilt. Denn die Szene steht enorm unter Druck: „Ein massives Clubsterben bedroht die kulturelle Vielfalt in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus“, warnen Raffel und Hüls, die den Tresor West seit 2019 betreiben. Laut einer aktuellen Umfrage der Liveinitiative NRW (LINA) sehen sich demnach 77 Prozent der Clubs in NRW mit existenziellen finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert oder erwägen sogar eine Schließung.
Fokus liegt auf lokalen DJs und regionaler Vernetzung
„Seit Corona hat sich das Ausgehverhalten komplett verändert“, hat Sinam Hüls beobachtet. Events müssten „instagramable“ und kurz sein, junge Menschen gingen außerdem deutlich weniger aus als vor der Pandemie. Gleichzeitig würden durch regelrechte Personenkulte auf Social Media die DJ-Gagen weiter in die Höhe getrieben. „Anreise, Eintritt, Getränke: Da gehen für einen Clubabend schnell 100 Euro drauf. Feiern ist ein Privileg geworden“, sagt Sinam Hüls. Der Tresor West wolle das gern aufbrechen. Wurden hier bislang 20 Euro und mehr als Eintritt fällig, sollen die „Communitynights“ bewusst kostenlos sein.
Dem hochkarätig kuratierten Booking soll das nicht schaden: „Der Fokus liegt auf ambitionierten, lokalen DJs und Crews, die den authentischen Underground-Charakter des Clubs verkörpern“, heißt es in der Ankündigung. Wer auflegt, wird zuvor nicht angekündigt. So sollen Raves wieder „back to the roots” konzeptioniert werden. Ein weiteres Standbein der Neuausrichtung ist die regionale Vernetzung: „Der Tresor West richtet sich verstärkt an die lokale Community im Ruhrgebiet und lädt ein, gemeinsam das kulturelle Wohnzimmer der Region zu gestalten“, schreiben Raffel und Hüls in ihrem Aufruf.
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Gleichzeitig planen die beiden aktuell die Konferenz „Mensch und Maschine“, die im Sommer Clubbetreiber und Akteure aus der elektronischen Musikszene zusammenbringen soll. Ob die Konferenz umgesetzt werden kann, hinge auch von einer Förderung ab. Von der seien Clubs viel zu häufig abgehängt, Politik müsse hier endlich gegensteuern, fordert Leonard Raffel: „Clubs sollten endlich als kulturelle Einrichtungen angesehen und entsprechend gefördert werden.“ So müssten etliche Clubs demnächst Coronahilfen zurückzahlen, „das könnte vielen endgültig das Genick brechen“.