Essen. Der Filmproduzent und Show-Moderator starb mit 77 Jahren in Köln. Seine WDR-Talkshow Anfang der 80er war bahnbrechend wild wie Braun selbst.
Michael Braun fegte wie ein unaufhaltsamer Orkan durch seine Talkshow, und anders als heute hatten seine Gäste hier nicht für ihr neues Buch zu trommeln oder dort die Quoten für ihren neuen Film hochzujazzen, sondern durchzuhalten, gegenzuhalten. Michael Braun lud Leute ein, die interessant waren, quer zum Gängigen und Bekannten, und sei es aus der zweiten oder dritte Reihe. Und er schreckte nicht davor zurück, sich mit ihnen auch mal anzulegen, sie zu provozieren, ja bloßzustellen.
Dass in der „Michael-Braun-Talkshow“ ein Fernseh-Frechdachs wie Herbert Feuerstein seine ersten Gehversuche unternahm, spricht Bände. Diese Sendung mit Live-Musik zwischen Neuer Deutscher Welle und Punkpop war oft gnadenlos improvisiert und auf eine Weise anarchisch, dass es sie nicht lange geben konnte: Was 1983 unter dem Titel „Jugend – ohne Titel“ begann, war schon 1985 wieder gestoppt.
Michael Braun war nicht nur wegen seiner Lederjacke der Rocker unter den Regisseuren
Der 1947 geborene Michael Braun war als Sohn eines Schauspielers und Regisseurs viel in der Bundesrepublik herumgekommen, bevor er Ende der 1960er-Jahre in Berlin mit dem Studium begann. Er engagierte sich in der linken Szene, bis hin zu Unterstützungs-Aktivitäten für die Guerilla in Lateinamerika. Seine Mitgliedschaft in der KPD/ML führte ihn ins Ruhrgebiet, zunächst nach Bochum, dann nach Dortmund. 1980 gehörte er zu den Gründern des Filmbüros Nordrhein-Westfalen. Er war, wie sein späterer Dozenten-Kollege an der Kölner Medien-Hochschule Dietrich Leder schrieb, „der Rocker unter den oft feingeistigen Regisseurinnen und Regisseuren, die diesen filmpolitischen Verein gründeten“.
Braun hatte drei Jahre lang das „Junge Forum“ der Ruhrfestspiele geleitet und bei dem Dortmunder Filmemacher Adolf Winkelmann ab Ende der 70er-Jahre an der Produktion von Filmen wie „Die Abfahrer“ mitgewirkt. Er wird als großer Kommunikator beschrieben, der Teams hervorragend motivieren konnte. Für das WDR-Fernsehen drehte er schließlich selbst Dokumentationen wie „Disco is Disco“ über den aktuellen Musik-Trend, über BVB-Fans (von denen er selbst einer der leidenschaftlichsten war), Duisburger Punks („No Future – Kein Bock auf Illusionen“) und Kiffer im Ruhrgebiet.
Michael Braun produzierte den letzten Film von John Huston und war Assistent von Michael Lentz
Nach dem Ende seiner Show ging Braun dann wieder als Filmproduzent nach Berlin, unter anderem für den letzten Film des legendären US-Regisseurs John Huston, der „Die Toten“ von James Joyce auf die Leinwand brachte. Als seine Firma Pleite machte, wechselte Braun nach Köln zurück, wo er für den WDR auch Unterhaltungssendungen produzierte. An der dortigen Medienhochschule wirkte Braun als Assistent des großen Film-, Fernseh- und Humorfachmanns Michael Lentz (der jahrzehntelang Filmkritiker der WAZ gewesen war).
Der impulsive Michael Braun ging, was nicht zuletzt seine Talkshow auszeichnete, gern einen Tick zu weit, er testete Grenzen aus. Wenn er bemerkte, dass er jemanden ernsthaft verletzt hatte, war er aber auch immer bereit, sich zu entschuldigen. Umso mehr wird ihm, der so leidenschaftlich gern Gespräche führte, seine zunehmende Einsamkeit im Alter zugesetzt haben. Am 16. Dezember ist Michael Braun mit 77 Jahren in Köln gestorben. Wer ihn kannte, wird den Verlust eines hellwachen Geistes betrauern.