Berlin. Ein schonungslos ehrlicher Blick auf den Popstar mit einer äußerst haarigen Perspektive: „Better Man – Die Robbie Williams Geschichte“.

Man hat ja schon einiges an schrägen Biopics erlebt: eine Filmbiographie über Bob Dylan etwa, in der dieser von fünf Stars verkörpert wurde, oder eine über Celine Dion, wo eine Schauspielerin den Weltstar selbst als kleines Mädchen spielte. Aber das, was „Better Man - Die Robbie Williams Story“ bietet, stellt alles andere getrost in den Schatten.

Augen und Stimme des Stars, der Rest kommt aus dem Rechner

Was man ganz am Anfang hört, zumindest im Original – das für jeden Fan deshalb ein Muss ist, zumindest mit Untertiteln –, ist die echte Stimme des Popstars: „Man hat mir viele Namen gegeben. Narzisst, Hackfresse, blasiertes Arschloch. Trifft alles zu. Aber ich zeuge euch, wie ich mich wirklich sehe.“ Dann erst sehen wir ein Bild. Und zwar das – eines Affen.

Man mag sich verwundert die Augen reiben. Aber ja: Der Star wird als Primat gezeigt. Und das durchgängig, bis zum Schluss. Was erstaunlich gut aufgeht und bald als gegeben hingenommen wird. Die Computeranimation macht’s möglich. Der Popstar lieh seine Stimme. Verkörpert wurde er von Jonno Davies. Aber der ist nicht zu sehen.

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Weil er, wie Andy Serkis als Gollum oder King Kong, in einen Motion-Capture-Anzug schlüpfte, der alle Bewegungen digital speicherte und sie dann auf einen animierten Affen übertrug. Wie verblüffend echt das inzwischen wirkt, haben die jüngsten „Planet der Affen“-Filme (auch mit Serkis) gezeigt. Wer trotzdem in dem Primaten ein wenig Robbie Williams zu erkennen glaubt, liegt nicht falsch. Weil dessen Augen in das Affen-Alter Ego gepixelt wurde.

Der wahre Coup ist nicht der Affe: sondern die schonungslose Ehrlichkeit

Was für ein Statement: Robbie Williams macht sich zum Affen! Aber genau so hat er sich lange gesehen: als Zirkusaffe der Musikbranche. Das hat er in vielen Gesprächen mit Regisseur Michael Gracey immer wieder betont. Und der (der zuvor das Musical „The Greatest Showman“ gedreht hat, ein Titel, der somit bereits vergeben war, auch wenn Williams sich immer als ein solcher inszenierte), Gracey also kam auf die bahnbrechende Idee, ihn auch als Affen zu zeigen. Womit er erst mal gegen Widerstände kämpfen musste. Die Finanziers waren nicht begeistert. Williams dagegen schon. Und das gab dann den Ausschlag.

Aber so grandios diese haarige Besetzung ist: Der wahre Coup des Films, der vielleicht nur über dieses Mittel der Distanz gelang, ist ein anderer: nämlich die schonungslose Ehrlichkeit, mit der hier ein Star seine eigenen Fehler, Süchte und Abgründe offenbart. Die meisten Biopics, die vom Künstler selbst oder zumindest ihren Nachkommen abgesegnet werden, glänzen da eher mit Glättungen oder Leerstellen. Nicht so bei Williams: Mit fast quälender Selbstkasteiung wird er hier immer wieder am Boden gezeigt, teils in seinem eigenen Erbrochenen liegend. Und das sucht wirklich seinesgleichen.

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Dabei will er doch nur geliebt werden. Schon als kleiner Junge im englischen Stoke-on-Trent. Doch sein Vater verlässt die Familie, um in der großen Stadt Karriere als Sänger machen will. Das gelingt ihm nie. Das ist es aber, was der einsame Spross dann schaffen will. Weil er, als Schüler gehänselt, erst bei einer Schulaufführung die Lacher auf seiner Seite hat. Und fortan das Rampenlicht sucht. Als ein Talent Scout eine Boygroup rekrutiert, meldet er sich als 15-Jähriger. Und wird tatsächlich Mitglied von Take That.

Der Rest ist Geschichte. Aber eben nicht nur eine Erfolgsgeschichte. Weil Robbie Williams schon da das schwarze Schaf ist. Oder nein, die Tiermetapher ist ja eine andere: ein Äffchen, das zu spuren hat, das tun muss, was der Manager will und was die Choreografie vorschreibt. Dass Williams auch eigene Songs schreibt, interessiert keinen, die schreibt ja Gary Barlow.

Er gab dem Affen Zucker: Jonno Davies im Motion-Capture-Anzug, aus dem der Affe berechnet wurde.
Er gab dem Affen Zucker: Jonno Davies im Motion-Capture-Anzug, aus dem der Affe berechnet wurde. © TOBIS | Tobis

Also benimmt er sich daneben, bis die anderen ihn rausschmeißen, und verfolgt eine Solokarriere. Was auch gelingt. Aber da ist er schon tief im Sumpf von Alkohol, Kokain und Heroin. Und gibt auch da lange nur den Zirkusaffen. Wobei er selbst sein größter Feind ist. Und immer wieder affige Versionen seiner selbst im Publikum sitzen sieht, die ihm zu verstehen geben: Du kannst es nicht.

Auch der geläuterte Robbie Williams behält sein loses Mundwerk

Eine Berg- und Talfahrt, wobei die Höhe- oft auch die Tiefpunkte sind. Bis sich der Popstar schließlich fängt und zu jenem besseren Menschen wird, den der Filmtitel ankündigt. Natürlich ist das alles gespickt mit lauter Hits und Shownummern, von Take That und Williams solo. Da allein klopft das Fanherz. Aber vor allem ist der Film eine schonungslose Beichte, die auch für jene, die mit Robbie Williams nicht so viel anfangen können, hochinteressant ist. Ein Affe bleibt er aber auch als geläuterter Mensch. Und auch das lose Mundwerk behält er bis zum Schluss.

Biopic GB 2024, 135 min., von Michael Gracey, mit Jonno Davies, Robbie Williams (Stimme), Damon Herriman, Alison Steadman