Dortmund. Rock, Elektro und Visuals: Die Post-Hardcore-Band Enter Shikari bricht Genre-Grenzen, doch gegen körperliche Limits sind auch sie machtlos.

Die Luft im Dortmunder FZW vibriert, noch bevor Enter Shikari die Bühne betritt. Klatschen und Rufe prallen an den Wänden ab. Als dann die ersten Klänge durch den Raum hallen, explodiert die Menge – eine tobende Woge aus Metal-, Rock- und Punk-Fans vereint unter einem Dach.

Schon die Alternative-Rockvorband „Wait Of The World“ aus München sorgt für Schweiß und Euphorie. Mit einem oberkörperfreien Schlagzeuger und treibenden Rhythmen bringen sie die Stimmung zum Kochen. 1300 Fans, ein ausverkauftes Haus, fordern schließlich die britische Band Enter Shikari lautstark heraus, die Bühne zu betreten. Unter tosendem Applaus erscheinen sie, begleitet von hypnotischen 3D-Projektionen, mit denen sechs schwarze Säulen bespielt wurden.

Enter Shikari in Dortmund.
Die britische Band Enter Shikari spielt am Dienstagabend im Dortmunder FZW. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Enter Shikari auf Tour: Crowdsurfing als Leitmotiv des Konzerts

Den Auftakt macht „Bloodshot“. Nebel steigt auf, harte Gitarrenriffs und donnernde Schlagzeugbeats überrollen die Menge. Fans springen synchron, während die Band mit einer Mischung aus Rock und elektronischen Klängen einen Rausch entfacht. Dazu ein leuchtend roter Strom Blut, der an den Pfeilern hinunterläuft, bevor er in Bildschirmen mit Störsignalen mündet.

Enter Shikari in Dortmund.
Enter Shikari aus St. Albans im südenglischen Hertfordshire spielt nur vier Konzerte in Deutschland. Eins davon im Dortmunder FZW. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Bassist Chris Batten setzt nach wenigen Minuten das Leitmotiv des Abends und lässt sich durch die Menge tragen. Die Fans lassen sich nicht zweimal bitten. Immer wieder werden Körper nach vorne gereicht: Crowdsurfing als festes Ritual, während Sänger Rou Reynolds mit markanter Stimme durch ein vielseitiges Set aus alten und neuen Liedern führt. Mit ihrer wütenden Energie und politischen Botschaften in den Texten reißt die Band das Publikum mit. Darunter sind Songs wie „Arguing with Thermometers“, ein Statement gegen Klimawandel-Leugner, untermalt von treibenden Drum-and-Bass-Beats.

Bei einigen ausbleibenden Screams fällt zwar auf, dass der Sänger mit angeschlagener Stimme performt, er schafft es aber trotzdem, die pulsierenden Emotionen aus dem Publikum einzufangen und zurückzuspiegeln. Auch die Bandmitglieder grätschen in die gesangliche Lücke. Sie sind eingespielt, das wird schnell deutlich. Kein Wunder, schließlich kannten sie sich schon gut, bevor sie 1999 eine Band gründeten.

Enter Shikari in Dortmund.
Enter Shikari-Sänger Rou Reynolds singt in Dortmund mit angeschlagener Stimme. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Über die Spielzeit von anderthalb Stunden transformiert sich die Mitte des Raumes in einen andauernden Moshpit – eine Ekstase aus Rock-Nostalgie wird entfacht. Ab und an tropft eine schweißgebadete Person unter einem Bogen fliegender Bierbecher heraus, um Luft zu erhaschen und die Haut zu trocknen.

Mehr Nachrichten aus der Kultur

Fans singen Geburtstagsständchen bei Enter Shikari

Trotz aller Intensität bleibt Raum für Leichtigkeit. Reynolds überrascht mit einer Trompete und spielt zu Ehren des Crewmitglieds Lui ein Geburtstagsständchen. Doch damit nicht genug: Die Fans stimmen „Wie schön, dass du geboren bist“ an und skandieren immer wieder „Lui, Lui“.

Das Konzert durchzieht einen beeindruckenden Wechsel zwischen Ekstase und sanfter Intimität. Nach kraftvollen Licht- und Sound-Eruptionen beruhigen sanfte Gitarrenklänge und heilsame Projektionsspiele die Menge. Die tranceartige Balance zwischen Chaos und Harmonie ist hergestellt. Enter Shikari unterstreichen damit, warum sie als Meister des nahtlosen Genre-Mix gelten.

Enter Shikari in Dortmund.
Die Post-Hardcore-Band Enter Shikari ist bekannt für ihren Genre-Mix. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Mit ihrem eigenen Post-Hardcore-Stil, den sie selbst als „Trancecore“ tauften, klingen sie eigenwillig. Und das macht ihren Charme aus. Inspiriert von Einflüssen aus ihrem Umfeld basteln sie experimentierfreudig ihren einmaligen Sound aus Gesang, der von Grunts und Growls geprägt ist. Dazu bringt die Band brachialen Rock, tranceartige Elektro-Beats, Rhythmuswechsel, Breakdowns und unerwartete Trompeten-Soli nahtlos zusammen.

Enter Shikari vor ausverkauftem Haus: Dortmund ist einmalig in NRW

In NRW ist die Club-Show der britischen Band in Dortmund einmalig. Nur an drei weiteren Orten in Deutschland spielt sie: Bremen, Dresden und Stuttgart – so decken sie jede Himmelsrichtung einmal ab. Auf dieser Tour zieht es Enter Shikari in die kleineren, schweißtreibenden Clubs. Sie haben sich bewusst dafür entschieden, erklärten die Briten vorab. Sie wollen an Orten auftreten, die sie sonst selten bespielen. Die Fans dankten es, die Tickets waren ausverkauft und nur noch über Tauschplattformen erhältlich.

Mit „A Kiss for the Whole World x“ bringen Enter Shikari ihr Konzert auf einen emotionalen Schlusspunkt und verabschieden die Menge. Diese schickt mit Händen geformte Herzen Richtung Bühne. Nach der Tour geht es für die Band zurück ins Studio, um an neuer Musik zu arbeiten.