Essen. Kein Durchbruch für das schwächelnde Aalto-Theater, aber neben Buhs vorwiegend freundlicher Beifall. Kritik zur Premiere der Oper

So einfach kann der Abschied von der Unterdrückung sein: Am Ende übergibt Aschenputtel (Rossinis „La Cenerentola“) die Staffel von Schrubber und Feudel an Freund wie Feind - ein Müllmädchen macht sich aus dem: Staub!

Wenig geglückt: „Cenerentola“ am Aalto-Theater überzeugt kaum

Manche mögen eben saubere Trennungen. Der Ausstieg der Titelheldin (gegen die Stückvorlage) ist der interessanteste Aspekt der Neuinszenierung, die Samstag am Aalto-Theater Premiere feierte, vielleicht gar der einzig interessante. Es sei denn, Sie schätzen Frauen, die sich wiederholt mit Gurke und Haarföhn duellieren, unterhalten sich glänzend bei Popo-Gewackel und femininen Quietschtönen. Aus solchem Stoff zum Beispiel sind an diesem dreistündigen Abend die Mütter der Klamotte, sprich: Aschenputtels garstige Schwestern. Da hockt man im Theater und weiß nach dem dritten Gag wie der vierte und fünfte sein werden - und die anderen sowieso. Es regiert viel Slapstick - und wenig Wissen über die Kunst der Komödie.

Bruno Klimek inszeniert Rossini, nicht einmal unmusikalisch, aber doch einerseits viel zu überzeugt davon, es besser zu wissen als die märchenhafte Vorlage, andererseits überfordert mit der riesigen, an diesem Abend oft zu 80 Prozent ungenutzten Riesenbühne des Aalto-Theaters sein Ensemble. Was er zu erzählen hat, ließe sich größtenteils auch im Schlosstheater Moers aufführen. Im Aalto-Theater gähnen vielfach gleich zwei: der hohl klaffende szenische Raum - und wir.

La Cenerentola
La Cenerentola (Aschenputtel): Szene aus Bruno Klimeks Inszenierung für Essens Opernhaus. © Matthias Jung | Matthias Jung

Klimek mag nicht glauben, dass ein reicher Prinz ein armes Mädchen sucht. Bei ihm ist der Pleitegeier das Wappentier jenes hohen Herrn auf Brautschau, der in Cenerentolas Sippe nach fetter Mitgift Ausschau hält. Graumäusig und leicht abgerissen also dieser Don Ramiro und die Seinen, die nicht einmal mehr wissen, wie man einen Schlips bindet, wenn Damenbesuch kommt.

Kaum tiefere Figurenzeichnung in Rossinis „Cenerentola“ am Aalto-Theater

Klimeks Idee der Eheanbahnung unter Verarmten führt zu wenig bis nichts. Und wenig fällt ihm über Klamauk und Klamotte hinaus zu den Figuren ein. Der Tatsache, dass wir es eben nicht mit einer Opera buffa zu tun haben, sondern mit einem Dramma giocoso spürt er wenig nach. Am besten glücken die Szenen zarter Bande. Wo Rossini radikal „in love“ ist, gibt Klimek nach. Festlegen, wo und was diese Menschen wirklich sind, mag er sich nicht. Cenerentola ist eine ausgebeutete Putzkraft im Overall unserer Tage, ihre eklige Sippschaft dagegen spinnt sich im Rokoko ein.

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Jens Kilian hat den Raum für diesen Abend entworfen. Vorwiegend bleibt der weite Saal auf Fischgrätparkett ungefüllt; von Tisch und Bett hat sich diese Inszenierung längst getrennt. Die Sänger finden wir: vielfach alleingelassen. Und wenn die Titelheldin das achte Mal ihr Raumpflegerwägelchen am Orchestergraben vorbeischieben muss, führt uns das Klimeks kreative Grenzen fast schmerzlich vor Augen.

Rossinis „Cenerentola“ erstmals am Aalto-Theater

„La Cenerentola“, unglaublicherweise noch nie am Aalto-Theater aufgeführt, ist eine der grandiosen Opern Rossinis. Tommaso Turchetta schürft mit Essens glänzenden Philharmonikern (ein Extra-Kompliment an die Klarinetten!) durchaus nach dem dramatischen Geist der Partitur, ohne die raffinierte Perlage der Komik je zu vernachlässigen. Freilich gibt es Nachbesserungsbedarf: Im ersten Akt ließen Sänger und Orchester Einheit vermissen. Und längst nicht jeder Solist kam gegen die Opulenz des Klangkörpers an.

La Cenerentola
Freundlicher Beifall, aber kein frenetischer Jubel: So wurde die Premiere von „La Cenerentola“ am 7. Dezember 2024 am Essener Aalto-Theater aufgenommen. © Matthias Jung | Matthias Jung

Im Ensemble gefeiert wird allen voran Liliana De Sousas Cenerentola. Ihr Mezzosopran ist in der Tiefe mit einem Glockenklang edelster Bronze beschenkt, die straffen Höhe schaffen staunenswerte Koloraturen - alles in allem so schön und so von Herzen, dass man den gelegentlichen Mangel an Durchschlagskraft überhören will. Mit Mykhailo Kushlyks Ramiro gibt ein vielversprechender lyrischer Tenor seine Visitenkarte am Aalto-Theater ab, doch noch ist nicht jeder Spitzenton Rossinis sein Freund. Alec Avedissians Dandini etwas farbarmer Bariton nimmt der Rolle einigen Schalk. Bravourös der agile, vom belcantischen Witz durch und durch beseelte Bariton Vincenco Nizzardos. Ein wenig mehr Maske hätte freilich seine Performance beflügelt: Dass dieser gute Papa Magnifico optisch wie ein jüngerer Bruder seiner fiesen Töchter daherkommt, leistet dem Abend einen Bärendienst. Im Schlussapplaus steckte Klimek ein paar Buhs ein, Gegen-Bravos folgten.

Noch etwas zum Thema Aschenputtel. Das Aalto-Theater hat in den letzten Jahren massiv an Strahlkraft verloren. Auch diese Inszenierung, so viel ist sicher, wird nicht für eine Rückkehr in den Hochadel national beachteter Opernhäuser sorgen.

La Cenerentola, Aalto-Theater Essen. Ca 3h, eine Pause. Karten 17-57€. Nächste Termine: 13., 22., 31. 12. Dann 3.1, 6. und 23. 2 2025. Karten 0201-8122200.