Köln. Beim Wiederaufbau der Kathedrale half auch die Kölner Dombauhütte. Hier wurden ein Jahr lang vier riesige Fenster restauriert.

Die „Kölner“ Fenster in Notre Dame? Da muss man am Hauptportal zwischen den Türmen durch und dann gleich rechts nach oben schauen, ein Stück unter der Decke hängen sie. Jene vier Fenster, die nach dem Brand von Notre Dame 2019 in der Kölner Dombauwerkstatt restauriert wurden, sind immerhin jeweils etwa 22 Quadratmeter groß, die sieht man auch von unten, aus gut 25 Metern Entfernung noch ganz gut. Und da sie in Süd-Richtung liegen, wird man sie am besten zur Mittagszeit erleben können, wenn von draußen die Sonne hindurchscheint.

Aber nicht einmal Katrin Wittstadt, die Reparatur und Sanierung der Fenster in der Kölner Dom-Glaserei geleitet hat, konnte die Fenster bislang sehen können, ohne dass Baugerüste den Blick versperrten? „Nein“, lacht die promovierte Glasfachfrau, die auch den Einbau der Fenster im französischen Nationalheiligtum begleitet hat. Mit einer charmanten Mischung aus großem Bedauern und kleiner Heiterkeit erklärt sie: „Wir waren Anfang Oktober noch mal dort und haben dort Acrylglasscheiben entfernt, die zum Schutz vor Bauarbeiten dort eingesetzt waren. Als wir abgereist sind, haben wie die Fenster schon mal wieder ein bisschen besser sehen können, aber die Gerüste standen immer noch im Weg.“

Zwei Lastwagen brachten die vier Fenster von Notre Dame in 44 Kisten zur Kölner Dombauhütte

In der Touristenattraktion im Herzen von Paris wurde noch bis kurz vor der Eröffnung am kommenden Sonntag gewerkelt – der Wiederaufbau der Kathedrale innerhalb von fünf Jahren ist ja ohnehin kein kleines Wunder. Gerade in Deutschland hatten das auch Fachleute für nicht machbar gehalten. Neben der Kölner Dombauhütte arbeiteten allein acht französische Fach-Werkstätten an der Wiederherstellung und Sanierung der riesigen Glas-Flächen.

Ein Glasfeld aus dem Segment A15 des Fensters 234 wird in der Kölner Dombauhütte gereinigt. Nach der Dekontamination mit Sauger, Bürsten und Pinseln kam Watte zu Einsatz, die zuvor in ein Wasser-Ethanol-Gemisch getränkt wurde.
Ein Glasfeld aus dem Segment A15 des Fensters 234 wird in der Kölner Dombauhütte gereinigt. Nach der Dekontamination mit Sauger, Bürsten und Pinseln kam Watte zu Einsatz, die zuvor in ein Wasser-Ethanol-Gemisch getränkt wurde. © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: J. Rumbach | Jennifer Rumbach

Auch in Köln, wo vier große Fenster gut ein Jahr lang bis zum 6. April 2023 wieder in ihren Originalzustand versetzt wurden, hat nie jemand das ganze Bild dieser Kunstwerke auf einen Blick gehabt. Gearbeitet wurde immer nur an einzelnen der 80 Felder, aus denen jedes der Fenster zusammengesetzt ist. Im Frühjahr 2022 kamen die Scheiben auf zwei Lastwagen mit 44 Kisten in Köln an. Und in der Glaswerkstatt, in der allein zehn von 85 Beschäftigten der Dombauhütte arbeiten, mussten sie erst einmal aus Fertigteilen ein Labor für die erste große Säuberung der Scheiben zusammenbauen. Sie mussten fachgerecht, und das heißt: aufwendig dekontaminiert werden: Das erste Absaugen und Abfegen des Glases, das mit Bleistaub und anderen Brandresten behaftet war, erfolgte im weißen Schutzanzug, mit Helm, Visier und Staubmaske.

Die Notre-Dame-Fenster des Glasmalers Jacques Le Chevallier sind aus dem Jahr 1965 – Chance zur Sanierung genutzt

Dann ging es an die Einzelteile. Manche der Stücke im bleigefassten Glasmosaik des französischen Glasmalers, Grafikers und Kupferstechers Jacques Le Chevallier hatten schon vor dem Brand Risse und Sprünge, Löcher und andere Schäden, etwa in der Farbe. Die Fenster stammten aus dem Jahr 1965 – in den sechs Jahrzehnten seither hatte sich auch Ruß, Staub und anderes auf den Scheiben festgesetzt. Die Gelegenheit, das alles in Ordnung zu bringen, war günstig. Bedeutete aber viel Arbeit. Für die Löcher wurde farblich passendes Glas zurechtgeschnitten, dann noch einmal mit Farbe bestrichen und dann in den Brennofen geschickt, damit Farbe und Glas sich vereinen.

Restaurierung Notre-Dame Fenster in der Dombauhütte
Eine Mitarbeiterin der Glaserei in der Dombauhütte geht ans Werk: Auch die Blei-Einfassungen der kleinen Fenster-Segmente hatten es nötig: Teils neu verlötet, wurden sie komplett neu gekittet.  © picture alliance/dpa | Oliver Berg

Alles in allem so viel Arbeit, dass selbst die Glas-Abteilung der Kölner Dombau-Werkstatt auf Hilfe von zwei rheinischen Restaurierungs-Ateliers angewiesen war. „Sonst wäre es nicht möglich gewesen, das in einem Jahr zu schaffen“, sagt Katrin Wittstadt mit einem Lächeln, „zumal wir ja auch immer noch ein bisschen am Dom arbeiten müssen.“

Die Glasmalerin Élodie Schneider aus dem Elsass war eine ideale Ergänzung für die Kölner Dombauhütte

Und sie bekam Unterstützung von Élodie Schneider. Die junge Glasmalerin aus dem Elsass hat 2019, als Notre Dame brannte, gerade ein Praktikum an der Kölner Dombauhütte absolviert. Als 2022 dann die Fenster restauriert werden sollten, bekam die damals 28-Jährige, gerade als Jung-Handwerkerin in Frankreich auf der Walz, die Anfrage, ob sie bei der Arbeit Köln helfen wolle. „Wir kannten sie ja, und sie war für uns eine ideale Besetzung, weil sie sowohl Deutsch als auch Französisch spricht“, schwärmt Katrin Wittstadt noch heute, da Élodie Schneider als Glaskünstlerin und Restauratorin längst wieder in ihrer elsässischen Heimat arbeitet.

Restaurierung Notre-Dame Fenster in der Dombauhütte
Risse, Löcher und anderweitig beschädigte Stellen wurden repariert. Dazu wurde farbig passendes Glas mit Farbe überzogen und beides zusammen noch einmal gebrannt. © picture alliance/dpa | Oliver Berg

Die Scheiben wurden nach der ersten Reinigung dann mit Wattestäbchen und einem Wasser-Ethanol-Gemisch gereinigt. An manchen Segmenten war ein neuer Farbauftrag fällig – denn auch die verunreinigte Luft, der „saure Regen“, der seit 1965 auf das Glas geprasselt war, hatten die Oberfläche des Kunstwerks vielerorts angegriffen. Am Kölner Dom fällt den Glas-Fachleuten übrigens seit 30 Jahren auf, dass die Fenster dort weniger leiden, weil nicht mehr so viel Schwefeldioxid in der Luft ist.

Glas-Chefin Katrin Wittstadt hat vorm jungen Gerhard-Richter-Fenster des Kölner Doms so viel Ehrfurcht wie vor den alten

Katrin Wittstadt arbeitet mit Kollegen und Kolleginnen derzeit an Fenstern des Chor-Obergadens im Kölner Dom. Der befindet sich auch über dem eigentlichen Dom-Heiligtum, dem Drei-Könige-Schrein. Und erzeugen eine regelrecht lichtdurchflutete Zone. Die Fenster dort stammen aus der Zeit um 1300, und „das Blei macht uns da überhaupt keine Sorgen. Aber das Glas ist stark korrodiert“, sagt die Expertin. Dann bekommt es an der Oberfläche Krusten und Beläge, das Glas löst sich regelrecht auf. Und die Restauratoren müssen dann entscheiden, wie viel vom geschädigten Glas sie wegnehmen, um den Prozess zu stoppen.

Katrin Wittstadt macht übrigens keinen Unterschied zwischen den ältesten, aus den 1260er-Jahren stammenden Fenstern des Doms und einem neuen wie dem heftig umstrittenen von Gerhard Richter: „Mehr Ehrfurcht? Nein, das hängt eigentlich immer davon ab, wie fragil, wie gefährdet das Glas ist, das ist nicht unbedingt eine Frage des Alters“, sagt die Glas-Chefin der Dombauhütte.

Erst im Frühling, bei strahlender Sonne, will die Dombauhütte ihr Werk in Paris in Augenschein nehmen

Die Bleirahmen und -stege der Notre-Dame-Fenster bekamen einen neuen Kitt und wurden zum Teil neu verlötet. Weil es danach an manchen Stellen so glänzte, wurden sie auch noch patiniert, „auf alt gemacht“. In Notre Dame setzte man beim Einbau vor die Scheiben dann noch zusätzlich Metallstäbe, damit die Fenster-Segmente selbst bei starkem Wind nicht aus den Rahmen gedrückt werden können.

Selbst bei starkem Wind ist Paris immer eine Reise wert. Aber Karin Wittstadt, die leitende Glasfachfrau der Kölner Dombauhütte, will die Kölner Notre-Dame-Fenster erst im Frühjahr in Augenschein nehmen: „Wenn die Sonne scheint! Und sie ganz brillant leuchten! Im Frühling oder Frühsommer fahren wir mit allen Kollegen und Kolleginnen, die beteiligt waren, dorthin. Und das waren nicht wenige!“

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