In der Region. Der Kulttrainer tourt mit einem Bühnenprogramm. Im Interview äußert er sich auch vorsichtig optimistisch zu seinen Ex-Klubs im Revier.

40 Jahre ist es her, dass Peter Neururer beim TuS Haltern seine Trainerkarriere begann. In den folgenden Jahrzehnten machte sich der gebürtige Marler einen Namen. Als Motivator, „Feuerwehrmann“, der mehrfach Klubs vor dem schon sicher geglaubten Abstieg bewahrte und Sprücheklopfer, der in TV-Sendungen für so manch Lacher gut war. Nun tourt Neururer mit einem Liveprogramm durch die Region. Worauf sich Fans und Interessierte bei „Schweigen ist feige“ freuen dürfen und was er seinen Ex-Klubs im Revier in dieser Saison zutraut, verriet der 69-Jährige Patrick Friedland.

Mit Ihrem Liveprogramm hatten Sie im Juni zwei Auftritte in Köln und Mönchengladbach. Wie hat es sich für Sie angefühlt?

Es waren angenehme Abende mit einer guten Atmosphäre und Stimmung. Die Resonanz war überragend, da hatte ich nicht mit gerechnet. Man muss aber auch davon ausgehen, dass derjenige, der kommt, nicht unbedingt derjenige ist, der Peter Neururer gar nicht abkann. Manche kommen natürlich auch, um sich ein Bild von mir zu machen. Und das ist auch der Sinn des Ganzen.

Die Tour steht unter dem Motto „Schweigen ist feige“. Warum?

Weil es mein Lebensmotto war. Früher habe ich des Öfteren mal unaufgefordert irgendwelche Kommentare abgegeben, das hat sich irgendwann gelegt. Natürlich habe ich später wieder Kommentare abgegeben, aber nur, wenn ich danach gefragt wurde.

Sind Sie zufällig Westernhagen-Fan? Der hatte ja mal einen Song dieses Namens …

Ha, tatsächlich war ich ganz früher großer Fan, habe auch alle Lieder mitsingen können. Ich war auch kürzlich in der Lanxess Arena beim Konzert. Also wenn ich mal mit Musik etwas zu tun habe, dann gerne er.

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Bleiben wir beim Persönlichen. Laut Tourankündigung lernt man Sie bei der Tour „von einer ganz anderen Seite kennen, die offenlegt, dass Neururer auch nur ein Mensch ist“. Gibt es tiefe Einblicke in Ihre Psyche und den Umgang mit dem horrenden Druck im Fußballtrainer-Geschäft?

Darüber rede ich natürlich, ich empfinde aber vieles anders. Am Anfang meiner Karriere hatte ich Druck. Irgendwann hatte ich aber nur noch Spaß, Ziele, Träume. Denn irgendwann, wenn man nicht ganz blöd ist und relativ normal bleibt, sollte man nach zehn, 15 Jahren als Cheftrainer in der ersten oder zweiten Liga keine Sorgen mehr haben. Der eine oder andere Kollege hat natürlich Sorgen, aber aufgrund von anderen Dingen. Ums Finanzielle geht es in diesem Job irgendwann eh nicht mehr, da gibt es andere Sachen.

Gibt es Gäste bei Ihren Auftritten?

Nee. Ich werde anmoderiert von einem Mitarbeiter der Agentur. Dann betrete ich die Bühne alleine. Die Fragen im zweiten Teil verliest dann auch der Moderator.

So ganz löst er sich nicht von der Trainerbank: Peter Neururer trainiert weiterhin im Sommer die VDV-Auswahl. Der Trainer-Veteran macht vertragslose Spieler fit für einen neuen Klub.
So ganz löst er sich nicht von der Trainerbank: Peter Neururer trainiert weiterhin im Sommer die VDV-Auswahl. Der Trainer-Veteran macht vertragslose Spieler fit für einen neuen Klub. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Die Show ist wie ein Fußballspiel in zwei Halbzeiten unterteilt. Welche Inhalte präsentieren Sie jeweils?

Wir stellen in unserer Gesellschaft ständig fest, dass Urteile abgegeben werden, ob positiv oder negativ, über Menschen, die wir überhaupt nicht kennen und bei deren Arbeit wir nie dabei waren. Da sind wir Bundesligatrainer die, die mit am meisten im Vordergrund stehen. Die Leute sind weder beim Training noch bei Spielersitzungen dabei, sagen aber, wie toll oder auch nicht ein Trainer ist. Da wird jemand als schlechter Trainer bezeichnet, weil die Ergebnisse nicht stimmen, die Arbeit kann aber keiner dieser Menschen einordnen. Diese Bühnenshow ist vielleicht ein Schritt dahin, eher ein Urteil abgeben zu können, weil ich in den ersten 45 Minuten lang mein Leben als Trainer beschreibe, mit Situationsbeschreibungen, lustigen Anekdoten und tiefgründigen Geschichten. Es ist ein Programm für alle, die sich für Motivationslagen im Fußball interessieren.

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Und in der „zweiten Halbzeit“?

Das Publikum hat die Möglichkeit, Fragen zu formulieren. Man bekommt beim Einlass eine Karte und einen Stift, schreibt seine Frage drauf und dann werde ich diese im zweiten Teil beantworten. Letztendlich geht es um das Kennenlernen der Person Peter Neururer. Ich werde auf alle Fragen ehrliche Antworten geben. Diejenigen, die in diese Show kommen, können danach sagen: Ich habe Peter Neururer kennengelernt. Und zwar interaktiv.

Die Tourroute ist sehr NRW-bezogen. Es gibt außer Saarbrücken und Frankfurt nur Termine in unserem Bundesland. Standen Berlin, Hamburg oder München nicht auf Ihrer Liste?

Die Termine macht ja die Agentur und die versucht nun eine Art Testlauf. Wenn das so angenommen wird wie die ersten beiden Termine im Juni, kann man sich durchaus vorstellen, die Tour bundesweit auszutragen. In Saarbrücken war ich ja mal Trainer, in Frankfurt werden sie mich vielleicht nicht mit offenen Armen empfangen, weil ich mal Kickers Offenbach trainierte. Die Frage ist ja auch: Wer hat zehn Jahre nach dem Ende meiner Karriere im täglichen Trainergeschäft noch Interesse, sich was von Peter Neururer anzuhören?

In Frankfurt offenbar viele, in den ersten zehn Reihen sind beispielsweise nur noch acht Karten zu haben.

Ok, dann bin ich mal gespannt, was die da vorhaben (lacht) …

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Kommen wir mal zu Ihren Ex-Klubs. Was trauen Sie denn dem FC Schalke 04 in dieser Saison zu?

Warten wir mal ab, was bis 30.8. passiert. Es könnten sich Möglichkeiten auftun, wenn einige Spieler den Klub noch verlassen. Ich bin schon davon überzeugt, dass die Saison besser wird als die letzte. Die Mannschaft scheint langsam ein Gesicht zu bekommen, aber es wäre losgelöst von allen Wünschen nicht angebracht, Schalke als Aufstiegskandidat zu bezeichnen. Da muss sich erstmal was entwickeln. Ein Platz in der oberen Tabellenhälfte sollte realistisch sein.

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Wie steht es um den VfL Bochum? Gibt es wieder eine Zitterpartie bis zum Schluss?

Ich hoffe, dass sie nicht bis zum Schluss zittern müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der VfL sich irgendwo zwischen Platz 10 und 18 befinden wird, ist allerdings groß. Ich wünsche mir, dass die 10 attackiert und möglichst schnell erreicht wird. Wenn ich tippen müsste, sage ich: Es wird Platz 12 bis 15.

Ihre vorletzte Profi-Station war der MSV Duisburg. Nach dem Saisonstart in der Regionalliga macht sich Aufbruchsstimmung bereit …

Das ist eine Geschichte, wie es sie wohl nur im Ruhrgebiet gibt. Der Michael Preetz ist da der Hauptfaktor. Kurz vor dem totalen Kollaps, man steht vor dem Nichts, dann rückt man aber zusammen und sagt sich: „Hallo, wer sind wir eigentlich? Jetzt zeigen wir es allen.“ In einer Liga, in die keiner rein möchte und aus der es wahnsinnig schwer ist, wieder rauszukommen. Fragen Sie mal in Münster oder Essen nach. Der MSV ist genau auf dem richtigen Weg. In Oberhausen vor ausverkauftem Haus zu gewinnen – auch schon toll, dass es in der Regionalliga ausverkaufte Spiele gibt –, davor 18.000 Zuschauer gegen einen Aufsteiger, bei dem ich bis kurz vorher nicht mal wusste, wie er heißt. Das ist sensationell. Die gleiche Zahl dürfte im nächsten Heimspiel erreicht werden. Der MSV ist in der Tabelle da, wo er hingehört. Ich hoffe, dass es so bleibt. Und auch, dass die 3. Liga danach nur eine Durchgangsstation bleibt. Ich glaube, mit dem Preetz haben sie da genau den richtigen Mann an der richtigen Stelle. Der Klub muss jetzt nur bodenständig bleiben, sich daran erinnern, wo er herkommt.

Ein letztes Thema: Sie sind noch als Trainer tätig, für die Auswahl der vertragslosen Spieler, die sich für einen neuen Verein empfehlen wollen …

Und zwar ausschließlich. Nach der Situation in Bochum 2014 habe ich mir gesagt, nicht mehr als Vereinstrainer arbeiten zu wollen. Es ist super, dass es die VDV-Auswahl gibt, ich mache das jetzt seit acht Jahren und immer noch sehr gerne. Und auch mit großem Erfolg. Mehr als 80 Prozent der Spieler finden einen neuen Job. Die Motivation ist eben auch da. Dabei sind Fußballer, die haben ein Niveau, teilweise 2. Bundesliga. Die sind aber irgendwo durch eigenartige Beratung oder unglückliche Momente in die Situation gekommen, keinen Vertrag zu haben. Und die kämpfen ums Überleben. Es gibt ja nicht nur die Superstars, die Millionen verdienen. Sondern auch viele, die eigentlich vom Fußball leben können, aber nicht, wenn sie keinen Job haben.

Planen Sie, dass im Jahr X Schluss ist?

Nö. Ich mache das, solange es Spaß macht, ich mit den Jungs klarkomme, Feedback erhalte  und es ihnen was bringt. Das ist das Wichtigste.

Peter Neururer live: 5.9. Oberhausen (Ebertbad), 30.9. Köln (Volksbühne am Rudolfplatz), 7.10. + 11.11. Gelsenkirchen (Heilig-Kreuz Kirche), 28.10. Düsseldorf (Savoy), 4.11. Krefeld (Kulturfabrik), 7.11. Bochum (RuhrCongress Saal), 28.11. Essen (Zeche Carl). Karten ab ca. 30 €.