Essen. Wer eröffnet denn heute noch ein Theater? Drei Schauspieler haben es gewagt, ausgerechnet im Essener Nordviertel. Wie sie davon leben können.

Zwischen Bürgersteig und Bühne liegen keine 20 Meter. Niedrigschwellig, dieses besonders in der Kultur überstrapazierte Adjektiv, ist im Rabbit-Hole-Theater wörtlich zu verstehen. Ausgerechnet am Viehofer Platz, mitten im Essener Nordviertel, haben die drei Schauspieler Dominik Hertrich, Jens Dornheim und Christian Freund vor drei Jahren ihr freies Theater eröffnet.

Ob man damit Geld verdiene? Sicher nicht genug, um den gesamten Lebensunterhalt dreier Menschen zu bestreiten. „Glücklicherweise haben wir aber auch alle noch andere Standbeine wie Theaterpädagogik, Moderation und Veranstaltungsmanagement“, sagt Hertrich, der schon den Cranger Weihnachtszauber als Veranstaltungsleiter organisierte. 2022 –kurz nach Corona und damit nicht gerade in der Hochphase des Theaters – ein solches zu öffnen, das sei natürlich nicht ohne Risiko gewesen.

Theater soll Teil des Kulturwandels in der Nordstadt sein

Aber: Während gerade die freie Szene häufig über Kürzungen und mangelnde Wertschätzung klagt, fühlen sich Dornheim und Hertrich vor allem von der Stadt Essen „gesehen und unterstützt“, sagen sie. Häufig schauten Vertreterinnen vom Kulturamt oder der Stabsstelle Kreativwirtschaft selbst vorbei. „Wir haben im Vorfeld viele Gespräche geführt und den Eindruck gewonnen, dass man uns hier will“, sagt Jens Dornheim. Nicht zuletzt profitiert das neu gegründete Haus von Kulturförderung, ohne die in der freien Szene wenig bis nichts geht. Aber: Schließlich sei das kleine Theater mit rund 40 Sitz- und 70 Stehplätzen auch ein Bestandteil des angestreben Kulturwandels in der nicht als einfaches Pflaster bekannten Nordcity.

Das Wagnis lohne sich immer mehr, bilanzieren die beiden Männer, die schon seit mehr als 20 Jahren in der freien Szene des Ruhrgebiets unterwegs sind. Zum einen könne sich die Besucherauslastung mittlerweile sehen lassen. Zum anderen nutzten immer mehr Künstlerinnen und Künstler die Räume für ihre Vorstellungen. Etwa 30 Prozent des Bühnenprogramms speisten sich aus Eigenproduktionen, den Rest bestreiten Schauspieler, Musikerinnen, Tänzer und sogar Magier wie aktuell Oliver Henke. Auch der Nachwuchs der freien Szene entdecke die Räume für sich: Einige Studierende der Folkwang- und Ruhr-Universität zeigten im Rabbit-Hole bereits ihr Können. „Wir wollen ein Spiel-Raum sein, in jeder Hinsicht“, sagt Dominik Hertrich. Ein breites Profil sei ihnen wichtig gewesen. So finde im durch „Alice im Wunderland“ bekannten „Rabbit Hole“, dem Kaninchenbau, jeder das, was er suche.

Großes Sommerfest am Wochenende mit 25 Live-Acts

Zwar gewährt das eigene Haus den drei Kreativen keine absolute finanzielle, dafür aber die künstlerische Unabhängigkeit. „Wir stehen in der Mitte unseres Lebens und waren der Meinung, dass wir es zumindest probieren müssen“, sagt Jens Dornheim, dessen Theater-Kollektiv „Glassbooth“ hier schon die Premiere des Stücks „Unter Gaslicht“ feierte. Proben, Inszenierung und schließlich auch die Aufführung selbst: Alle Logistik, die hinter einem jeden Werk stecke, sei mit eigenen Räumen freilich einfacher zu stemmen. Und dann sei da noch die unmittelbare Nähe zum Publikum. Diese „magischen Momente“ bestärkten sie immer wieder in ihrer Entscheidung, ein eigenes Theater aus dem Boden zu stampfen.

Die Liedermacherin Nadia Ihjeij alias Frollein gibt am Samstag ein Konzert im Rabbit-Hole. 25 Live-Acts sind beim Sommerfest am Wochenende zu erleben.
Die Liedermacherin Nadia Ihjeij alias Frollein gibt am Samstag ein Konzert im Rabbit-Hole. 25 Live-Acts sind beim Sommerfest am Wochenende zu erleben. © Jörg Gröger | Jörg Gröger

Ihre Programmvielfalt wollen die Theatermacher am Wochenende, 2. bis 4. August, mit einem großen Sommerfest zeigen. Zu jeder vollen Stunde dürfen sich die Gäste auf einen der insgesamt 25 Live-Acts freuen: Theater, Konzerte, Performances, Lesungen, Musik-Experimente und Installation. Eröffnet wird das Festival am Freitag um 17 Uhr mit Akustik-Popfolk der Band MZR aus Bochum. Um 18 Uhr lassen Claudia Behr, Carolin Dörmbach und Melanie Wierun „Die unendliche Geschichte“ als Live-Hörspiel entstehen – mit Stimmen, Geräuschen und interaktiver Einbindung des Publikums. Liedermacher Tobias Sicken aus Bochum performt um 19 Uhr die Songs seines Debüt-Albums „Wollen ist Leben auch ohne Kriegen“, ehe Schauspielerin Patricia Foik und Schauspieler Carsten Caniglia ihre „Woyzeck“-Performance auf die Bühne bringen. Am Samstag kommen unter anderem Liedermacherin Frollein aus Bochum und Jazz-Sängerin Myriam-Catharina ins Rabbit-Hole. Der Eintritt zum Festival ist an allen Tagen frei. Weitere Informationen und das komplette Line-Up mit Infos zu allen Acts findet man auch hier.