Essen. Holger Schmenk ist Historiker, Pädagoge, Metal-Fan – und Autor: Aus seinem neuesten Werk über Metal im Revier liest er in Gladbeck und Bochum.
Heavy Metal ist ein weltweites Phänomen, und anders als in der Popmusik erfreuen sich international auch deutsche Bands des Genres großer Beliebtheit. Besonders das Ruhrgebiet gilt als Hochburg des Heavy Metals. Warum das so ist, erklärt die Buchreihe „Kumpels in Kutten“ – der dritte Teil erscheint am 22. Dezember 2023.
„Kumpels in Kutten: Heavy Metal im Ruhrgebiet“
Einer der beiden Autoren ist der gebürtige Oberhausener und ehemalige Schulleiter des Sophie-Scholl-Gymnasiums im Stadtteil Sterkrade, Holger Schmenk (45). Inzwischen lebt er in Hessen und leitet die Europaschule Gladenbach bei Marburg. Regelmäßig weilt Schmenk aber auch jetzt noch in Oberhausen und dem Ruhrgebiet – etwa, wenn er am 18.11. und am 9.12. in Gladbeck bzw. Bochum aus dem neuen „Kumpels in Kutten“-Band liest. Zuvor sprach Stefan Moutty mit dem studierten Historiker, passionierten Metal-Fan und Pädagogen über die besondere Beziehung zwischen Heavy Metal und Ruhrgebiet – und ob im Schulleiter-Alltag auch Kutten erlaubt sind.
Ruhrgebiet und Heavy Metal – wieso passt das so gut zueinander?
Holger Schmenk: Heavy Metal und Ruhrgebiet sind eine Einheit, die genauso gut zusammenpasst wie Zechen und Stahlwerke zur Region. Das Ruhrgebiet war und ist das Herz der deutschen Metal-Szene. Einmal durch die Nähe zu den Niederlanden, wo es schon früh erste Schallplatten aus den USA zu kaufen gab, zudem durch die vielen Bands und die Szene-Infrastruktur die hier entstanden ist. Ob Kreator, Sodom, Axel Rudi Pell oder Rage: Das sind Metal-Gruppen, die bis heute erfolgreich touren und tolle neue Alben machen und überall auf der Welt bekannt sind. Sie haben tausende junger Bands beeinflusst. Kaum jemandem ist bewusst, dass z.B. Kreator bis heute mehrere Millionen Alben verkauft haben. Nicht zu vergessen ist ebenso das Rock Hard aus Dortmund, das – neben dem Metal Hammer – bis heute wichtigste Szene-Magazin. Außerdem Century Media Records ebenfalls aus der Bierstadt mit hunderten relevanten Bands unter Vertrag. Gleiches gilt für Künstler wie Axel Herrmann, der unzählige Cover mit seinen einzigartigen Zeichnungen gestaltet hat.
Wo und wann haben Sie hier selbst Ihr erstes Heavy-Metal-Konzert erlebt?
Das war Mitte der 90er natürlich in der Zeche Bochum. Grave Digger hatten gerade ihr Erfolgsalbum „Tunes Of War“ veröffentlicht, das sich der schottischen Geschichte widmet. Damals war die Band noch richtig gut und das Konzert ein einmaliges Erlebnis in der ausverkauften Halle!
Amon Amarth vor 300 Fans in Mülheim
Welches Konzert war das eindrücklichste Erlebnis, das Sie im Revier erlebt haben?
Sicherlich das Konzert von Amon Amarth aus Schweden. Die Death Metal-Band füllt heute Hallen mit 10.000 Besuchern. Anfang der 2000er, kurz vor dem großen Durchbruch, suchte der Tourmananger noch eine Möglichkeit ein Konzert zu buchen, das schließlich im Jugendzentrum AZ Mülheim vor vielleicht 300 Menschen stattfand. Ich habe nie zuvor ein so energiegeladenes Konzert in einer so kleinen Location gesehen.
Haben Sie selbst noch Ihre erste Kutte?
Ich hatte tatsächlich noch nie eine Kutte (lacht)… Immer eine Motorradlederjacke, unzählige Bandshirts, aber Kutten waren nie so meins, auch wenn ich die bei anderen teilweise sehr beeindruckend finde. Unser dritter Band ziert drei Metal-Fans mit Kutten, die hunderte von Patches haben. Das ist schon einzigartig.
Wie kleidet sich der Schulleiter im Unterricht?
Als Schulleiter trage ich Hemd und meist einen Anzug. Sobald ich zu Hause bin, ist das Hemd das erste, was in die Ecke fliegt. Metal-Shirts trage ich privat fast immer – darin fühle ich mich wohl. Es ist übrigens immer spannend zu beobachten, wie unterschiedlich man in der Öffentlichkeit in verschiedenen Kleidung wahrgenommen wird bzw. wie einem die Leute begegnen.
Schulleiter am Sophie-Scholl-Gymnasium in Oberhausen-Sterkrade
Wie kam es, dass Sie dem Ruhrgebiet den Rücken gekehrt haben?
Als gebürtiger Oberhausen habe ich – bis auf eine Zwischenstation an der Uni Siegen – mein ganzes Leben in Oberhausen verbracht. Am Sophie-Scholl-Gymnasium war ich Schüler, durch einen Zufall später Lehrer und dann Schulleiter, so dass meine ehemaligen Lehrer teilweise meine Mitarbeiter wurden. Das war eine spannende Zeit mit vielen verschiedenen Erfahrungen. Nach 42 Jahren im Ruhrgebiet musste einfach mal ein Wechsel her und so sind wir in die Heimat meiner Frau in der Nähe von Marburg mitten aufs Dorf gezogen, das von Wäldern umrandet wird. Also eine ganz bewusste Entscheidung, die hektische Großstadt zu verlassen. Das ist ein super Ausgleich zum stressigen Schulleiterjob.
Leben Sie nun in der Heavy-Metal-Diaspora?
Tatsächlich ist Mittelhessen eine Heavy-Metal-Diaspora, aber Frankfurt mit zahlreichen Konzerten glücklicherweise nicht weit weg. Und da ich ohnehin noch viel im Ruhrgebiet bin und dort nach wie vor Freunde habe, nehme ich so etwas wie das Rock Hard Festival oder Dong Open Air regelmäßig mit. Daher finden die ersten zwei Lesungen zum neuen Buch im Ruhrgebiet statt, auch wenn es danach quer durch Deutschland gehen wird.
Grave Digger, Iron Maiden und Sabaton: Heavy History
Sie sind Historiker. Wie bewerten Sie jene Texte von Heavy-Metal-Bands, die sich um geschichtliche Themen drehen?
In der Tat ist das sehr heterogen: Aktuell beschäftige ich mich in einem weiteren Buchprojekt mit populärer Musik im Geschichtsunterricht. Es gibt Beispiele von Bands, die historische Themen hervorragend recherchieren. Dazu gehören die erwähnten Grave Digger mit ihrem damaligen Album oder eine Band wie Iron Maiden oder Slayer mit einer zumindest einzigartigen Inszenierung im Song „Angel Of Death“, der der KZ-Arzt Josef Mengele thematisiert. Es gibt auch Gruppen wie Sabaton, die E-Gitarren mit schlagerartigen Mitsingmelodien sowie pseudogeschichtlichen Themen verknüpfen. Spannender als historische Themen sind oft die sozialkritischen Texte zahlreicher Metal-Bands, die aus ihrer Entstehungszeit heraus einen Einblick in damalige Strukturen und Überlegungen geben.
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Im neuen Buch geht’s u.a. auch Metal in der DDR, das Rockharz-Festival … wie passt das zum Thema Heavy Metal im Ruhrgebiet?
Während die ersten beiden Bände die Szene im Ruhrgebiet beleuchten, war es meinem Mitautor Andreas Schiffmann und mir diesmal wichtig, der Frage nachzugehen, wie der Ruhrpott-Metal weltweit wahrgenommen wird. Daher haben wir zahlreiche Musiker, Labelinhaber, Festivalveranstalter usw. befragt, welchen Stellenwert sie der Region und ihrer Gitarrenmusik geben. Das waren spannende Interviews mit teils überraschenden Perspektiven.
Kumpels in Kutten: Lesungen in Gladbeck und Bochum
Was erwartet die Fans bei den Lesungen zum neuen Buch?
Viele unterhaltsame, manchmal nachdenkliche, teils lustige Geschichten. Die Lesungen werden immer mit Musik – sei es eine Live-Band oder von der CD – untermalt. In der Regel sind Gäste aus der Szene dabei, mit denen ich ins Gespräch komme und die viel zu erzählen haben. Im Dröhnschuppen in Gladbeck am 18.11. sind es z.B. Stoney, der als Merchandiser weltweit unterwegs ist und auch das Wacken Open Air mitbetreut und Lacky der Essener Thrash-Band Darkness. Am 9.12. in der Dark Gallery in Bochum Ventor, der Schlagzeuger von Kreator, und sein Sohn Jerome, der ebenfalls Drummer ist. Das werden allein aufgrund der Gäste zwei schöne Lesungen, da bin ich mir sicher.
>>> Die Lesungs-Termine:
18.11.2023 Dröhnschuppen, Friedrich-Ebert-Str. 10, Gladbeck, Eintritt: 7 Euro),
9.12.2023 Dark Gallery, Hattinger Str. 53, Bochum, Eintritt frei.
>>> „Kumpels in Kutten. Heavy Metal Im Ruhrgebiet, Teil 3“ – die Infos zum Buch:
Autoren: Holger Schmenk & Andreas Schiffmann, Erscheinungsdatum: 22. Dezember 2023, Index Verlag, ISBN: 978-393687851-6, 232 Seiten, 101 Abbildungen, Preis: 16,49 €.