Essen. DJ Bobo ist für seine mitreißenden Shows bekannt, dabei bleibt er allerdings am liebsten auf dem Boden. Zum 30. Bühnengeburtstag blickt er zurück.
Pech gehabt, zur neuen Show lässt sich René Baumann beim Interview schon mal nicht ausquetschen. Drei Bühnen soll es geben, der Rest ist eine große Überraschung. Kein Wunder, schließlich ist DJ Bobo doch vor allem für seine fulminanten Bühnenshows bekannt. Besonders wird’s sicherlich, der Schweizer Sänger feiert Jubiläum, seit 30 Jahren hält er mit Hits wie „Everybody“ und „There Is A Party“ die Eurodance-Welle am Leben. Im Interview mit Maxi Strauch blickt der 54-Jährige auf seine Karriere und erzählt, warum DJ Bobo fast Geschichte gewesen wäre.
30 Jahre stehen Sie jetzt schon auf der Bühne und füllen noch immer die Hallen. Was ist Ihr Geheimnis?
DJ Bobo: Die Frage wird mir oft gestellt. Und ich hoffe, dass es Folgendes ist: die Qualität der Shows. Die Leute sind neugierig und wollen wissen, was hat er wieder Neues, Verrücktes dabei? Was machen sie dieses Mal? Die Fans wissen, bei uns kriegst du etwas geboten, irgendwas Durchgeknalltes kommt bestimmt.
Wenn man sich an die Stars aus den 90ern zurückerinnert, steht kaum noch einer im Rampenlicht. Was machen Sie anders?
Ich habe relativ früh erkannt, als die Eurodance-Welle gerade steil nach oben ging, dass die Welle auch irgendwann wieder abebbt. Ich habe dann entschieden, dass wir versuchen, uns durch diese visuelle Umsetzung abzugrenzen. Ich hatte aber das Problem mit dem Namen DJ, dass die Leute natürlich gedacht haben, der legt ja nur im Club auf. Also mussten wir viel Energie da reinlegen, den Leuten zu zeigen, wir machen was anderes. Und das ist uns dann gelungen. Wir haben uns in den Köpfen der Menschen festgekrallt. Sie wussten, wir machen etwas Außergewöhnliches.
DJ Bobo wünscht sich ein Song-Remake von David Guetta
Glauben sie, die Eurodance-Welle erlebt noch mal ein Comeback?
Ich glaube, wir sind schon mittendrin. Ich würde es Nostalgiewelle nennen. Das hat damit zu tun, dass wir die letzte Generation waren vor dem Internet, bei uns konntest du nichts googeln. Wenn du Musik hören wolltest, musstest du Schallplatte, CDs oder Kassetten haben. Du hattest noch Poster von deinem Künstler an der Wand. Dadurch hatten die Leute mehr Zeit, sich mit uns zu befassen. Die Künstler kommen heute in einem viel höheren Rhythmus, viel schneller, viel intensiver.
Es gibt aktuell viele Lieder aus den 90ern/Anfang 2000ern, die neu abgemischt wurden. Gibt es ein Lied von Ihnen, für das Sie sich einen Remix wünschen würden?
Das wird bestimmt passieren in den nächsten Jahren. Das ist glasklar. Irgendwann kommt „Everybody“ dran, „There Is A Party“, „Freedom“, „Pray” ... Ich freue mich schon drauf, wird bestimmt lustig.
Denken Sie da an einen speziellen Künstler?
Soweit habe ich noch nicht gedacht. Wobei ich könnte mal anfangen, proaktiv zu anzufragen: Lieber David Guetta … (lacht)
Gibt es – musikalisch gesehen – noch etwas, das Sie jetzt noch nicht erreicht haben, aber gerne noch erreichen würden?
Oh, da gibt es vieles als Komponist oder Produzent, und auch als Interpret gibt es noch so viele Dinge, die ich machen möchte, aber nicht kann, weil das Talent limitiert ist. (lacht)
Was sind die Schattenseiten des Lebens als Musiker?
Ich versuche eigentlich immer nur, mich nur in der Öffentlichkeit zu zeigen, wenn es um Musik geht. Aber man ist eben trotzdem eine Person des öffentlichen Lebens, und dafür bin ich nicht gemacht. Ich bin sehr gerne auf der Bühne, aber wenn ich die Treppen runter gehe, wenn ich unten ankomme, fühle ich mich wie ein Techniker. Dann würde ich am liebsten mithelfen, die Lampen einzuladen. Wenn ich auf der Straße erkannt werde, frage ich mich manchmal immer noch: Warum kennen die mich?
„Die Fans in der Mongolei haben mich emotional fast umgehauen“
Stimmt es, dass Sie zwischendurch mal Ihren Künstlernamen ändern wollten?
Ja, ich wollte mal meinen Künstlernamen ändern, weil Bobo in vielen lateinamerikanischen Ländern „Idiot“ bedeutet. Und dann ist es nicht so leicht, wenn die Leute „DJ Bobo“ rufen und du weißt, die rufen gerade „Idiot“. In den 90ern wurde uns aus gewissen Ländern empfohlen, mal darüber nachzudenken und den Plan fand ich gut. Wir wollten dann schauen, wie das bei Prince läuft, weil der ebenfalls seinen Namen ändern wollte, und das ging sowas von in die Hosen ... Dann haben wir aktiv entschieden: Lieber einen etwas durchgeknallten Künstlernamen, den aber jeder kennt, als einen, den niemand kennt.
Gab es schon eine Alternative?
Ich hätte wahrscheinlich irgendwas Sing-Sang-mäßiges genommen, irgendwas Lustiges. Einfach nicht DJ, das ist ja die Berufsbezeichnung und Bobo war mein Sprayername.
Was war Ihr schönstes Bühnenerlebnis?
Ich glaube, es gibt ganz viele. Da eines rauszupicken, ist schwer, aber es gibt in der Tat Momente, wenn die Musik stärker ist als Religion, Rassen … Wir waren zum Beispiel in der Mongolei die ersten westlichen Künstler, die in dem Stadion aufgetreten sind. Kein Mensch spricht dort Englisch, keiner versteht die Lieder, aber alle haben mitgesungen. Das ist so eine Kraft, das haut dich auch emotional fast um. Sobald die Musik losging, gab es keine Gräben mehr. Wir waren alle eins. Und das ist schon toll, wenn kulturelle Grenzen durch die Musik überwunden werden können.
„Da bin ich unter der Decke hängengeblieben ...“
Und der schrecklichste Moment?
Auch da gibt es viele (lacht). 1997 oder so, da hatte ich eine Flugnummer. Und ich bin unter der Decke hängen geblieben, unter den Lampen am Seilzug und der Techniker wusste auch nicht weiter. Der Motor hatte einen Kurzschluss und dann musste die Feuerwehr mit einer zwölf Meter langen Leiter anrücken. Ich hing da 15 Minuten, mit dem Mikro in der Hand und unter mir 6000 fröhliche Menschen. Zum Glück gab es da noch keine Handys, die Fotos machen konnten. Die haben sich weggeschmissen und ich fand es auch lustig. In dem Moment habe ich gar nicht gecheckt, wie gefährlich das eigentlich war.
Abgesehen davon, wie ist es für Sie vor so vielen jubelnden Menschen zu stehen?
Es ist eine Art hormoneller Austausch: Man empfängt ein Glücksgefühl und gibt es sofort wieder zurück. Daraus entsteht diese positive Energie. Das spüre ich schon, wenn ich die Halle betrete. Du spürst zum Beispiel auch, ob es Freitag oder Samstag ist. Unter der Woche sind sie mit dem Kopf noch woanders und dann bewegen ich mich etwas sanfter. Wir müssen uns dann zuerst kennenlernen. Und bei einem Samstagskonzert, wenn die Stimmung schon kocht, dann gehst du mit der Tür ins Haus.
Wie erholen Sie sich von so einer Tour?
Ich denke jedes Mal danach: Mir wird nie mehr was einfallen. Das war es jetzt, das war jetzt der Höhepunkt. Ich muss jetzt aufhören. Dann dauert es ein halbes Jahr, dann mache ich die ersten Notizen, ich sehe irgendwo was und denke: „Das könnte man ja mal besser machen oder ausprobieren.“ Aber erst einmal habe ich in der Tat das Gefühl, diese Tour kann nichts mehr toppen. Ich falle nicht wirklich in ein Loch, ich habe Familie, Kinder und Frau und da werde ich gut aufgefangen, aber kreativ ist schon die Flasche leer.
Haben Sie privat irgendeinen Ausgleich?
Ich habe vor fünf Jahren Golf für mich entdeckt und habe mich da völlig drin verbissen. Ich habe eine Seite an mir kennengelernt, die ich selber nicht kannte. Dieses blöde kleine Golfbällchen von A nach B zu bringen, mit möglichst wenig Schlägen, das hat mich mental echt an den Rand gebracht. Was dein Kopf will und das, was dann passiert, sind zwei verschiedene Dinge. Ich habe zwei, drei Jahre gebraucht, bis ich mich dann einigermaßen unter Kontrolle hatte und jetzt habe ich riesigen Spaß daran und kann mich da richtig mental wegbeamen, es hat eine Art meditativen Charakter.
Wenn Sie nicht Musiker geworden wären, was wäre dann aus Ihnen geworden?
Ich glaube, ich würde beim Radio oder so arbeiten. Irgendwas mit Menschen, Kommunikation und Unterhaltung.
Nicht Bäcker? Wer Ihre Biografie kennt, weiß, dass Sie eine Lehre gemacht haben …
Ich war für die Gilde der Bäcker keine Leuchte (lacht). Ich habe diesen Beruf gelernt, weil eine Lehrstelle im Dorf frei war und ich mit 15 einfach keinen Schimmer hatte, was ich machen möchte, und habe es aber durchgezogen, weil der Lehrmeister sehr nett war. Es war ein Kleinbetrieb und da konnte ich nicht einfach gehen.
Abgesehen von der Musik: Was haben Sie sich noch nie getraut, obwohl Sie es gerne machen würden?
Alles, was ich nicht gerne mache, sowas wie Bungeejumping oder so, das will ich auch nicht machen. Da habe ich zu viel Respekt davor. Ich bin kein Adrenalinjunkie. Ich mache schon Sachen wie mit einem Klavier um die eigene Achse drehen, aber da habe ich dann eher Angst als Freude.
Wie lange wird DJ Bobo noch Musik machen?
Das weiß weder der René noch der DJ Bobo. Solange die Leute in großer Zahl kommen und ich diesen Hunger habe, neue Dinge zu entwickeln und auf Tour zu gehen, solange würde ich das schon noch gerne machen.
>>> Info: DJ BoBo - EVOLUT30N Tour, 14.5. Oberhausen (19 Uhr, Rudolf Weber-Arena), 26.5. Köln (20 Uhr, Lanxess Arena), 28.5. Dortmund (19 Uhr, Westfalenhalle). Tickets ab 32,50 €.