Mülheim. Auf einem alten Bahngelände entstand Mülheims Garten an der Ruhr, die Müga – und im Wasserturm für die Lokomotiven die Camera Obscura.

Versteckt hinter Hecken liegt Finnland: Neben dem – mittlerweile in Grashüpfergrün gestrichenen – Blockhaus taucht man ein in eine Welt mit weiß-braunen Stämmen der Birken und einem Wasserlauf, der über Steine den Hang hinunter plätschert. Es ist noch nicht lange her, da habe man alle dicken Steine wieder an den Rand des künstlich angelegten Bachs gelegt, um ihn in den Originalzustand zu versetzen. Aber nun liegen wieder einige mitten im Wasser.

Ärgerlich. Aber: „Hier schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, sagt Peter Schuhmacher (56) vom Amt für Grünflächenmanagement der Stadt. „Kinder freuen sich ja auch, wenn sie Steine ins Wasser werfen.“

Mitten in der Müga: Peter Schuhmacher und Ulrike Wessel vom Grünflächenmanagement.
Mitten in der Müga: Peter Schuhmacher und Ulrike Wessel vom Grünflächenmanagement. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Dieses Stückchen Finnland ist ein Teil von Mülheim. Genauer: von der Müga, wie die Landesgartenschau 1992 genannt wurde und heute noch die grüne Lunge der Stadt ist. Gärtner der Partnerstadt Kouvola in Südfinnland hatten diese kleine Wald-und-Bach-Idylle gestaltet, um etwas Skandinavien ins Ruhrgebiet zu bringen.

Das Schloss Broich

Auf dem Gelände befindet sich auch das Schloss Broich, dessen altes Mauerwerk teils sogar auf das Jahr 883 zurückgeht. Heute beherbergt es unter anderem das Historische Museum, das über die karolingische Befestigungsanlage informiert. Auch die nach eigenen Angaben weltgrößte begehbare Camera Obscura mit dem Museum zur Filmgeschichte befindet sich auf diesem Grund. Zur Müga-Zeit war das hohe Gebäude bereits Ausstellungsfläche. „Allerdings gab es damals eine Fotoausstellung“, so Schuhmacher. Die Camera Obscura ist nun 15 Jahre alt.

Das Gebäude war früher ein Wasserturm, mit dem die Lokomotiven versorgt wurden. Denn lange bevor auf dem Areal Rosen erblühten, gab es an dieser Stelle ein Bahngelände. Daran erinnert auch noch die Kulturbühne „Ringlokschuppen“ mit den Originaltüren, durch die die Züge fuhren. Und die Drehscheibe, auf der heute ebenfalls keine Loks mehr fahren, dafür Künstler unter freiem Himmel auftreten.

Optische Täuschungen

Eine andere Art von Drehscheibe steht am Wegesrand: Wer die Holzplatten in Schwung bringt, für den wirkt es so, als ob die schwarzen Kreise hervortreten – oder man in den mittleren Punkt wie in ein tiefes Loch hineinschauen würde. „Das sind Phänobjekte nach einer Idee von Hugo Kükelhaus.“ Optisch täuschen können sich Besucher auch, wenn sie in einen der vier Spiegel schauen. „Sie machen einen größer, kleiner, dicker, dünner – was man gerade für seinen persönlichen Geschmack braucht“, sagt Schuhmacher schmunzelnd.

Der schöne Laubengang führt direkt zur Camera Obscura.
Der schöne Laubengang führt direkt zur Camera Obscura. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Hinter Finnland liegt Berlin: Der Bezirk Tiergarten war früher ebenfalls Mülheims Partnerstadt. Stücke der Berliner Mauer sind dort zu sehen. Das eine erinnert graffitibesprüht an die deutsche Geschichte, das andere ist bedeckt von einem Mantel aus Efeu. „Man soll nicht vergessen, was war“, interpretiert Schuhmacher das Ensemble. Aber was war, sei vergangen.

Hunde müssen draußen bleiben

Ein paar Schritte weiter gelangt man zum hübschen Laubengang, der zur Camera Obscura führt: Der Blauregen schlängelt sich die Pfeiler hinauf in die Höhe, wo er ein Blätterdach bildet, das vor Sonne schützt – und im Frühjahr blaue Blüten „regnen“ lässt. Darunter stehen einige Bänke, von denen man Läufer und Spaziergänger beobachten kann, stets ohne Hund. Die müssen nämlich draußen bleiben. Schade für die Tierbesitzer. Aber: „Hier kann man auf den Wiesen liegen, ohne in Hundekot zu treten.“

Der Garten neben dem Laubengang wurde vor rund zwei Jahren neu gestaltet, nachdem der Bambus, dessen Blätter heute noch schön im Wind raschelt, nicht mehr zu beherrschen war. Viele blühende Stauden sind zu bewundern. „So tun wir auch etwas für die Insekten“, sagt Ulrike Wessel, ebenfalls vom Amt für Grünflächenmanagement. Phlox und Prachtspiere, Sonnenblume und Storchschnabel sind dabei. Astern zeigen zu dieser Jahreszeit noch violettfarbene Blüten. Da Eichen viel Wasser für sich beanspruchen, wachsen unter ihnen keine Stauden, erklärt die 57-Jährige. „Deshalb gibt es hier viele Gräser.“

Ein Brunnen aus alten Brückensäulen

Im Park „wachsen“ auch zwölf gusseiserne Säulen mit verzierten Kapitellen in den Himmel. Früher haben sie eine Bahnbrücke gehalten, heute dreht sich in ihrem Zentrum eine Granitkugel im Wasser. Es sieht so leicht aus, dabei ist der Stein 1,6 Tonnen schwer. Trotzdem benötige es hierfür keine starken Pumpen, erklärt Schuhmacher. Da sich Wasser nun mal nicht zusammendrücken lässt, sucht es sich seinen Weg – und nimmt die Kugel mit.

Kraft aufbringen müssen die Menschen unweit des Kugelbrunnens: Der Radschnellweg Ruhr RS1 führt an der Müga vorbei. Wer vergleichen möchte: Mit dem Rad kommt man auch gut zur Gruga – Große Ruhrländische Gartenbau-Ausstellung von 1929 sowie 1952. Im Gegensatz zum Essener Park muss man für die Müga aber keinen Eintritt zahlen. Zu klein sei das Kerngebiet um Schloss Broich und Camera Obscura, das hätte sich nicht gerechnet, so Schuhmacher.

Als die Landesgartenschau eröffnet wurde, erstreckte sich das Gelände noch weiter. Mit dem Schiff konnte man über die Ruhr zu anderen Teilen der Müga fahren. Der Schlosspark Styrum zählte dazu, inklusive des Wassermuseums Aquarius, das sich ebenfalls in einem ehemaligen Wasserturm befindet.

Seerosenteich und Wasserspielplatz

Eine Fußgängerbrücke führt vom Park am Schloss Broich über die Bergstraße zum Stadthallengarten: Kfar-Saba-Brücke heißt sie, benannt nach der Partnerstadt in Israel. Der Mülheimer Künstler Ernst Rasche hat sie gestaltet. Auf der anderen Seite gibt es weitere Gärten. Freunde des Elements Wasser sitzen am Seerosenteich, bestaunen Wasserspiele oder sie gehen direkt weiter bis zur Ruhr. Einen Wasserspielplatz gibt es. „Für größere Kinder im Sommer – da ist eine Badehose gut“, sagt Schuhmacher.

Zurück und vorbei an Schloss Broich können Kinder ebenfalls mit Wasser spielen. Da man dort im Sandkasten nicht komplett nass wird, matschen die Kleinsten sogar in der kalten Jahreszeit. Und wer das Plätschern wie bei einem richtigen Bach bestaunen möchte (Man muss ja nicht gleich Steine werfen): Finnland ist nur ein paar Schritte entfernt – versteckt hinter Hecken.

Parkplatz: Am Schloss Broich 34, Mülheim

Camera Obscura: Sa., So., 10 - 18 Uhr; 4,50 €, erm. 3,50 €; unter 6 Jahren frei (gilt nicht für Gruppen).

Historisches Museum im Schloss Broich, zurzeit So., 11 - 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.