Mülheim. Die Schlösser-Serie: Es war nicht geplant, aber notwendig – das Schloss Broich am Müga-Park in Mülheim steckt in einer gewaltigen Sanierung.

Das Leben auf Schloss Broich hätte so schön sein können: Seit den 1960er-Jahren hatte sich das alte Gemäuer zwischen Ruhr und dem Parkgelände der ehemaligen Landesgartenschau zu einem prächtigen Vorzeigeobjekt der Stadt Mülheim gemausert. So schön war es sogar, dass die Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH (MST) beschlossen hatte, nach einer Innensanierung der Räumlichkeiten hier ihr neues Domizil zu beziehen. Eine gute Entscheidung. Und zugleich eine schlechte.

Im Hochschloss ist das Historische Museum untergebracht.
Im Hochschloss ist das Historische Museum untergebracht. © Lars Heidrich

Denn kaum waren Stadtvermarkter hier eingezogen, kam eines Tages eine Mitarbeiterin an und sagte zu ihren Kollegen: „Da ist ein Stein herausgefallen.“ Und erntete als erste Reaktion nur: „Das wird schon nicht so schlimm sein, wenn ein Stein herausgefallen ist.“

Was für ein fataler Irrtum.

Denn es lösten sich noch mehrere Steine aus der Ringmauer nahe des Torbogens. „Es war der Stein des Anstoßes, der erste sichtbare Schaden. Und dann hat sich eine ganze Maschinerie in Gang gesetzt“, so Inge Kammerichs, Geschäftsführerin der MST.

Nach dem Experten-Besuch kam der Schock

Experten schauten sich den Zustand des Mauerwerks und seiner Fugen an – und als man fertig war, kam der Schock: 5,4 Millionen Euro an Kosten kamen bei der ersten Schätzung für die Sanierung heraus. Eben jener marode Torbogen musste sofort gesichert werden. Das war 2009, der Anfang einer Sanierung, die bis heute andauert – aber mit großen Schritten voranschreitet.

Sanierungsarbeiten am Schloss Broich.
Sanierungsarbeiten am Schloss Broich. © Lars Heidrich

Die Vorbereitung des Großteils der Sanierung nahm einige Zeit in Anspruch, sie begann erst im Frühjahr 2013 und verbunden mit einem Glücksfall im ganzen Unglück. Denn die Sanierer kamen in Kontakt mit Ägidius Strack, einem Gutachter und ausgewiesenen Experten für die Restaurierung alter Bauwerke. Er hat schon Erfahrungen gesammelt mit Schloss Drachenburg und der Nibelungenhalle. Er schaute sich die Substanz an, ließ in Zusammenarbeit mit Studenten alles noch einmal aufnehmen. „Und dann hat er etwas gemacht, das ich in meinen 35 Berufsjahren noch niemals erlebt habe: Er ist mit dem Etat um 1 Million nach unten gegangen“, berichtet Inge Kammerichs.

Sanierung ist bei historischen Gebäuden immer aufwändiger

Zu verdanken war das auch den modernen Untersuchungsmethoden, die eventuelle Hohlräume im Mauerwerk und rostige Metallverstrebungen schon im Vorfeld entdecken und so böse Überraschungen weitgehend ausschlossen.

Eine Büste von der späteren Preußischen Königin Luise, die in den Jahren 1787 und 1791 auf Schloss Broich verweilte.
Eine Büste von der späteren Preußischen Königin Luise, die in den Jahren 1787 und 1791 auf Schloss Broich verweilte. © Lars Heidrich

So eine Sanierung ist bei historischen Gebäuden ja immer aufwändiger, als man so denkt. Denn als hätte man mit den Steinen nicht genug zu tun, kamen die Tier- und Pflanzenschützer auf den Plan. „Zum einen ging’s um die Fledermauskartierung“, berichtet Marc Baloniak, Abteilungsleiter Tourismus bei der MST. Das Flattervieh machte allerdings keinen Ärger, denn es jagt zwar auch am Schloss, hat dort aber nicht Domizil bezogen.

Schwieriger wurde es beim Pflanzenbewuchs an den Mauern. Der Experte nennt das „Mauerfugenvergesellschaftung“. Und Inge Kammerichs übersetzt erheitert: „Das ist die Party in den Ritzen.“ Man kam, sah und fand. Unter anderem den Braunstieligen Streifenfarn. Seinetwegen werden nun kleine Bereiche des Mauerwerks bei der Sanierung ausgespart, damit er nachher von den unsanierten auch auf die sanierten Bereiche übersiedeln kann.

Die bewegte Geschichte lässt sich an vielen Steinen ablesen

Man hat es hier teils mit sehr altem Mauerwerk zu tun: Als spätkarolingisches Sperrfort trotzte es wohl im Jahr 883/884 den Normannen, die von Duisburg aus die Ruhr hinauf wollten. Die bewegte Geschichte von Broich lässt sich an vielen Steinen und Relikten ablesen, bleibenden Eindruck hinterließ offenbar die spätere Preußische Königin Luise, die in den Jahren 1787 und 1791 hier ein wenig verweilte. Eine weiße Büste im Treppenhaus erinnert an sie.

Ein Blick in das Schloss.
Ein Blick in das Schloss. © Lars Heidrich

In den mehr als drei Sanierungsjahren ist es allerdings gelungen, das rege Leben auf Schloss Broich und die zahlreichen Veranstaltungen mit wenigen Einschränkungen weiter zu ermöglichen. Die 41 Trautage im Jahr, bei denen mehrere Hundert Paare sich das Ja-Wort geben, das Pfingst-Spektakulum, der Castle-Rock, die Broicher Schlossweihnacht und ebenso die kurz bevorstehende Schlossnacht (siehe Kasten).

Außerdem hat das Historische Museum, das ehrenamtlich vom Geschichtsverein geführt wird, den Betrieb aufrechterhalten. Und natürlich haben die Stadtvermarkter weiter ihres Amtes gewaltet, auch im Dienste des Schlosses. Denn weil klar war, dass eine derart große Sanierung immer mit Unwägbarkeiten verbunden ist, riefen sie die „Schloss-Retter“ ins Leben, eine Spendenaktion zu Erhaltung von Schloss Broich, die bis heute erfolgreich ist. Übrigens ist bisher der Etat für die Sanierung nur an einem Bauabschnitt leicht überschritten worden. Die Arbeiten dauern bis 2020.

>> DER ZAUBER DER SCHLOSSNACHT

Die Broicher Schlossnacht lädt am 5. August zu einem Fest für Künstler mit und ohne Handicap und taucht das Gelände in eine traumhafte Atmosphäre.

Die Schloss-Retter machen natürlich weiter mit ihrer Kampagne zur Erhaltung von Broich. Wer sich beteiligen oder spenden möchte, findet unter www.schloss-retter.de die nötigen weiteren Informationen.