Düsseldorf. Goethe und Beethoven waren beide Genies – und könnten gegensätzlicher kaum sein, auch im persönlichen Umgang. Eine Ausstellung in Düsseldorf.
Dass es Enttäuschungspotenzial birgt, seinen Helden zu nahe zu kommen, ist eine Binsenweisheit. Aber was, wenn die Begegnung wechselseitig auf Titanen-Augenhöhe stattfindet? So war es bei Goethe und Beethoven. Eine Ausstellung erzählt davon.
Man hätte es wissen können: Der wutbürgerliche Kunstrebell und der Dichterfürst, dem (so Beethoven über Goethe) „die Hofluft zu sehr“ behagt. Goethe dagegen staunt, wie ein Schöpfer so unbegreiflich fortschrittlicher Tonkunst ein seine Umwelt permanent verärgernder Rüpel sein kann. Das passte nicht.
Der Dichter begreift früh, dass hier in der Musik ein unglaublich begabter Neuerer angetreten ist, nennt die Musik „toll“, was damals freilich nicht super, sondern eher verrückt und verwegen bedeutet. Da lauscht Goethe der „Fünften“ am Klavier, nennt sie „sehr groß“ und ergänzt, „man möchte sich fürchten, das Haus fiele ein, wenn das nun alle Menschen zusammenspielen“. Beethovens schroffe, um Hierarchien wie gesellschaftliche Verabredungen sich kaum scherende Art aber verstört ihn. Der längst in Weimar residierende Frankfurter erkennt im Bonner Wahl-Wiener eine „ungebändigte Persönlichkeit, die die Welt weder für sich noch für andere genussreicher macht“.
Der sture Beethoven und der umgängliche Goethe
In zwei Ausstellungsräumen erzählt Düsseldorfs Goethe-Museum von einer intensiven Nicht-Beziehung. Ihren Kolportage-Gipfel fand sie in einer Aufzeichnung Bettina von Arnims: In Teplitz (heute Tschechien) treffen sie sich, spazieren nebeneinander her – bis österreichischer Hochadel ihnen entgegenspaziert. Goethe tritt respektvoll zur Seite, Beethoven aber geht mit seinen 162 Zentimetern stur g’radaus.
Mag das übertrieben, ja gar erfunden sein: Es beschreibt die Züge der Genies trefflich. An der gemeinsamen Zeit in dem Kurort gibt es keine Zweifel. „Bei Beethoven“, notiert Goethe in seinem Tagebuch am 22. Juli, „spielte köstlich“. Das ist 1812, Beethoven ist 42, Goethe 63, im Alter eines Vaters also. Ihre Werke verbinden sie, Beethoven hat den Egmont vertont, Goethes Lyrik vom faust’schen Flohlied bis zu „Kennst Du das Land“ in Gesang verwandelt. Aber er hat auch Dämpfer durch den Star-Literaten erlebt. Auf Zusendung von Partituren bekommt Beethoven keine Antwort. Beethoven, den im Privaten so oft Scheiternden, fasziniert im Werk Goethes das Unerfüllte. „Selige Sehnsucht“ unterstreicht er.
„Begegnung der zwei Sonnen“
Die Schau wendet sich an Kenntnisreiche und Geneigte, Freude an Handschriften sollten sie mitbringen und eine gewisse Vorbildung; die Schau ist nicht stark didaktisch geprägt. Dafür setzt sie mit Stolz auf reiche Bestände, viele Noten darunter, und Kostbares aus der Sammlung Kippenberg. Der gleichnamige Düsseldorfer Verleger korrespondierte mit dem Literatur-Nobelpreisträger Romain Rolland, übersetzte ein Beethoven-Essay des Franzosen. Die Tage in Teplitz nannte der (ganz im Wagnerkult seiner Heimat) die „Begegnung der zwei Sonnen“. Vielleicht gaben sie derart viel Licht, dass großer Schatten schlicht unvermeidbar war.