Köln. Das Wallraf-Richartz-Museum zeigt eine luftige Impressionisten-Schau in 70 Gemälden als Reise von Paris nach Istanbul: „Bon Voyage, Signac!“.
Häfen! Sonne! Fischerboote! Man kann Urlaub machen in der Sommerfrische der 70 impressionistischen Gemälde im Wallraf-Richartz-Museum. Ins Träumen geraten. Auf Zeitreisen gehen.
Die Ausstellung „Bon Voyage, Signac!“ könnte angesichts ihrer hinreißenden Ferienstimmung genausogut „Bienvenue, Signac!“ heißen. Der tiefere Grund für diesen Willkommensgruß in Ausstellungsform mit rund 70 impressionistischen Gemälden liegt fast sieben Jahre zurück. Damals wurde der geplante Verkauf von 380 Kunstwerken und drei Streichinstrumenten aus der Sammlung der ehemaligen Westdeutschen Landesbank bekannt – und löste einen Sturm der Empörung aus. Schließlich kaufte die Landesregierung 277 Kunstwerke sowie für den Geiger Frank Peter Zimmermann die Stradivari-Violine „Lady Inchiquin“ aus dem Bestand des West-LB-Nachfolgers Portigon. Die Stiftung Kunstbesitz NRW wiederum lieh die Werke auf Dauer an 42 Museen im Land aus.
Paul Signacs Meisterwerk „Stamboul: Yeni Djami“ aus dem Jahr 1909
Das Wallraf-Richartz in Köln bekam eines der kostbarsten Werke, weil es sich ideal in die Sammlung des Hauses fügt: Paul Signacs pointillistisches Meisterwerk „Stamboul: Yeni Djami“, eine Ansicht auf die „Neue Moschee“ Istanbuls (aus dem 17. Jahrhundert), auf Minarette vom Wasser des Bosporus aus, gemalt 1909.
Das Bild kam so „dreckig“ ins Museum, wie es die WestLB verlassen haben wird. Signac hatte auf einen Firnis-Überzug verzichtet, kein künstlicher Glanz, das Weiß, die Pastell-Farben zwischen Türkis und Violett als zerlegte Bestandteile südlichen Lichts sollten auf natürliche Weise hell wirken. Das, zusammen mit dem groben Pinselstrich, sorgte allerdings dafür, dass sich im Laufe der Jahrzehnte Staub und vielleicht auch Bankiers-Zigarrenrauch auf der Oberfläche des Bildes festsetzte. Nun aber ist es perfekt gereinigt, die erhoffte gleißende Wirkung der von Signac selbst aufgetragenen Weiß-Grundierung kommt wieder zum Tragen, und an den Kuppeln und Minaretten der Moschee sind sogar die Bleistift-Unterzeichnungen wieder zu erkennen, mit denen Signac daheim im Atelier arbeitete. Vor Ort hatte er zwei Jahre zuvor nur mit Aquarellen und Zeichnungen die Stimmung festgehalten – nun setzte er die kurzen Borstenpinselstriche nach dem ausgeklügelten System des Divisionismus, mit dem die Neo-Impressionisten das Licht fast schon naturwissenschaftlich in seine Bestandteile zu zerlegen glaubten.
Leidenschaft fürs Malen und fürs Segeln
Signac war in ganz Europa von Hafen zu Hafen gereist, nach Rotterdam und La Rochelle, nach Marseille und Venedig bis in die türkische Metropole. 32 Boote bis hin zur Elf-Meter-Yacht „Olympia“ (benannt nach Édouard Manets Meisterwerk) besaß Signac. Als sein Vater starb, erbte er mit 17 üppig – und entdeckte seine Leidenschaft fürs (autodidaktische) Malen fast zeitgleich mit der fürs Segeln.
Die Reise der Ausstellung beginnt mit Signacs umwerfend schönen, perfekt gebauten Blick auf den Pont des Arts in Paris, die Île de la Cité und Notre Dame im Hintergrund, ein Klassiker aus dem Museum Folkwang, eine der wenigen Leihgaben der 70 Gemälde starken Schau. Es geht weiter über die Vororte von Paris zum Ärmelkanal über die Normandie und die Bretagne an die Côte d’Azur mit frühen, mittleren und späten Signacs. Hier ein Renoir mit einem luftig-leichten Blick über die Rhone bei Avignon, kühne Berthe Morisot, die Boot und Mole und Uferhäuser in Nizza fast aus dem oberen Bildrand hinausdrängt, um alles auf die Lichtspiele auf dem kabbeligen Wasser zu konzentrieren. Ähnlich wagte es Kees van Dongen später mit einem Haus in Fleury, das unterm himmelhohen Himmel fast zu versinken droht. Aber es gibt nicht nur das Idyll, in Pissarros „Obstgarten in Pontoise bei Sonnenuntergang“ arbeiten Menschen, gebeugt, auf Knien. Auch Eugèn Boudin zeigt im ausgehenden Realismus 1870 Fischerinnen in der Bretagne. Aber im Süden suchen die Maler und Malerinnen die Leichtigkeit des Seins, Signac wandert im November 1898 von St. Tropez bis zur italienischen Riviera und malt mit „Capo di Noli“ reine Schönheit unter blauem Himmel, so wie es den Impressionisten oft mehr um die Stimmung als die Optik ging. Signac scheint zum Ende seines Lebens immer mehr die Leichtigkeit gesucht zu haben, sein Hafen von Concarneau, 1933 zwei Jahre vor seinem Tod entstanden, scheint weit mehr Licht wiederzugeben als auf die Leinwand fällt.