Duisburg. Das neue Theaterstück „Der Koffer meines Großvaters Zeko“ in Duisburg will Interesse an der Roma-Kultur wecken und mit Vorurteilen aufräumen.
Seit Stunden läuft die Probe. Regisseur Rahim Burhan (72) sitzt an einem Tisch, darauf: Schokolade, „Edelbitter“, als Nervennahrung, und das aufgeschlagene Textbuch: „Der Koffer meines Großvaters Zeko“, steht auf dem Einband. Ihm gegenüber, auf einer kleinen Bühne, steht Mustafa Zekirov (61), Schirmmütze, schwarzer Mantel. Der Schauspieler drückt einen Koffer fest an seine Brust – und diesem Reise-Accessoire verdankt das Stück seinen Namen.
„Ich wurde in Kriva Palanka, einer kleinen Stadt in Mazedonien, geboren. Als ich sechs Jahre alt war, verließ mein Großvater Zeko diese Welt, und meine Großmutter Gulja verkaufte unser Haus und die Schmiede. Sie beschloss, nach Shutka, die größte Roma-Siedlung in Europa zu ziehen. Ich erinnere mich an diesen heißen Juli-Tag. Wir fahren mit einem alten Lkw...“, spricht Schauspieler Mustafa Zekirov auf der Bühne – und schon sind wir mittendrin in der Geschichte. Seiner Geschichte!
Monodrama als „intimes Geständnis“ im Lokal Harmonie
Mit seinem Monodrama – einem „intimen Geständnis“, wie er es nennt – berichtet Mustafa Zekirov vom Zustand seines Volkes. Durch Musik, Liedern und persönlichen Erlebnissen, erzählt er intim, ohne bittere Töne, von der Reise eines Roma-Mannes und des„Koffers“, den er mit sich trägt. Was das Publikum hört und sieht, bewegt. Denn: Dieser Mann spielt keine Rolle. Er ist er selbst.
Dass „Der Koffer meines Großvaters Zeko“ nun im Duisburger „Lokal Harmonie“ zur Aufführung kommt, wurde ermöglicht durch eine Förderung von „Interkultur Ruhr“, einem Projekt des Regionalverband Ruhr. Die Premiere ist am Donnerstag, 16. September. Der Eintritt ist frei. Weitere Aufführungen folgen am 17. und 18. September. Beginn ist jeweils um 20 Uhr.
„Duisburg ist echt unterschätzt“
Am Fenster sitzt Anna Irma Hilfrich (36) und verfolgt die Probe. Sie ist Mitglied des im Jahr 2012 gegründeten Vereins „Lokal Harmonie“. „Duisburg ist echt unterschätzt“, sagt Anna Irma Hilfrich. „Hier ist so viel los – auch weil die Kreativen zusammenrücken und etwas auf die Beine stellen.“
Entstanden ist der Verein, weil damals eine Gruppe von Leuten nach einem Ort gesucht hatte, um einen offene Produktionsstätte für künstlerische und (sozio-)kulturelle Projekte zu schaffen. An der Harmoniestraße in Duisburg entdeckten sie ein altes Gebäude, einst Heimat einer Eisenwarenhandlung. Der ehemalige Verkaufsraum im Erdgeschoss war fast vier Meter hoch – ideal also, um eine Bühne samt Lichttechnik einzubauen. Die Kulturleute waren überzeugt vom Potenzial des Standorts, unterschrieben einen Mietvertrag – und wurden somit zu Wegbereitern des heutigen „Kreativquartiers Ruhrort“. Ihr „Lokal Harmonie“ wurde bereits mit den Spielstättenpreisen des Landes und des Bundes ausgezeichnet. Bis Corona den Programmkalender schrumpfen ließ, gab es jede Woche Veranstaltungen: Konzerte, Schauspiel, Performance, Ausstellungen, Lesungen, Podiumsdiskussionen. Inzwischen läuft der Laden wieder, es gilt „3G“.
Start von „Der Koffer meines Großvaters Zeko“ später als gehofft
Corona hatte auch den Start von „Der Koffer meines Großvaters Zeko“ verzögert. Die Idee für das Ein-Mann-Theaterstück hatte Mustafa Zekirov bereits vor zwei Jahren. Früher war er Schauspieler beim Roma-Theater „Pralipe“, das Regisseur Rahim Burhan vor 50 Jahren gegründet hatte. Das europaweit bekannte und vielfach preisgekrönte Ensemble emigrierte 1991 wegen des Jugoslawien-Kriegs nach Mülheim und war bis ins Jahr 2001 ein künstlerisch eigenständiger Teil des „Theater an der Ruhr“. 2004 wurde das „Pralipe“-Ensemble aufgelöst. Als Mustafa Zekirov nun bei Rahim Burhan anfragte, ob er bei der Inszenierung „Der Koffer meines Großvaters“ wieder mit ihm zusammenarbeiten möchte, musste dieser nicht lange überlegen: „Bei dem Thema konnte ich einfach nicht ,Nein’ sagen“, sagt Rahim Burhan.
Weitere Informationen beim Lokal Harmonie und bei Interkultur Ruhr. Dieser Beitrag erschien als Teil einer Serie, in der verschiedene Projekte aus dem Kosmos von Interkultur Ruhr vorgestellt werden. Bislang erschienen sind folgende Artikel:
- Die „Machbarschaft“ in Dortmund: Bewegung in der Nordstadt