J. K. Rowling schreibt in „A Cuckoo’s Calling“ über die Schönen und Reichen – anonym. Ihre Bescheidenheit rührt; ihre Enttarnung ist jedoch ein Glück für viele Leser, die “Robert Galbraiths“ Debütroman ansonsten verpasst hätten.
Merkwürdig, eigentlich, dass der Autor des Krimis „A Cuckoo’s Calling“ so lange geheim bleiben konnte. Dabei ist es doch ganz offensichtlich: Es geht um ein Kind, das seine Eltern nie kennenlernte, das bei einer Pflegefamilie aufwuchs. Ein Kind, das etwas ganz Besonderes ist, anders als die anderen. Dessen Name den Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Und das doch mit den Dämonen der Vergangenheit zu kämpfen hat.
Nicht nur das Thema, auch die Erzählweise hätte den Tarn-Umhang ins Flattern bringen können: diese Art, von Cliffhanger zu Cliffhanger zu springen, die Leser in eine fremde Welt voller skurriler Charaktere hineinzuziehen.
Man hätte also ahnen können, dass nicht ein beliebiger Ex-Soldat, sondern die zauberhafte J. K. Rowling die Autorin des Krimis „A Cuckoos Calling“ ist. Nur hätte man das Buch ohne das Wissen um ihre Autorschaft kaum zur Hand genommen; in den ersten drei anonymen Monaten fand es gerade mal 1500 Leser. Insofern ist es ein Glücksfall, dass sich die Freundin der Ehefrau eines Anwalts via Twitter verplappert hat und eine Journalistin diesen Tipp ernst nahm. Denn der Krimi, um den sich dieser kleine Rowling-Krimi („Rowlingleaks“) drehte – er ist so gut, dass er die hunderttausende Leser verdient hat, die er nun bekommt.
Der Tod des Supermodels
Worum geht es in „A Cuckoo’s Calling“? Lula Landry ist das Kind, das so viele Ähnlichkeiten mit Harry Potter aufweist – biografische jedenfalls. Denn äußerlich kann ihr kein Zauberheld der Welt das Wasser reichen. Lula, dunkelhäutiges Adoptivkind einer reichen Londoner Familie, ist ein Supermodel – Muse des Designers Guy Somé, millionenschwer und schwer gefragt. Vielmehr: Lula war ein Supermodel. Bevor sie vom Balkon ihrer Luxuswohnung in Kentigern Gardens fiel und starb. Ein Selbstmord, ermittelt die Londoner Polizei.
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Ihr Bruder John Bristow, ebenfalls ein Adoptivkind, aber beauftragt den Privatdetektiv Cormoran Strike: Er soll Lulas Mörder finden. Strike hat beim Militärdienst ein Bein verloren, trägt jetzt Prothese und schwer an seinen seelischen Verletzungen. Cormoran Strike hat ja selbst eine schwierige Kindheit hinter sich. Seine Mutter starb an einer Überdosis. Sein Vater ist Jonny Rokeby, ein äußerst wohlhabender 70er-Jahre-Rockstar – der aber von seinem unehelichen Sohn nie etwas wissen wollte. Als wäre all das nicht genug, hat sich Strike soeben von seiner langjährigen Freundin Charlotte getrennt, zog aus der schicken Wohnung aus und auf ein Feldbett in sein Büro.
Vielleicht liegt es an Rowlings eigenem, rasanten Aufstieg in die Liga der Bestverdienenden, dass ihr das Thema der sozialen Unterschiede so am Herzen liegt. Mit sehr genauem Blick beobachtet sie jene, die ganz oben und ganz unten in der Gesellschaft stehen. In der klassischen Detektiv-Story, ein Konfettiregen der Erkenntnis-Schnipsel, lässt sie Strike auf eine Vielzahl von Typen und Figuren treffen. In seiner Bürohilfe Robin hat sie sich gar selbst ein Denkmal gesetzt: Wie Robin hat sie einst für eine Zeitarbeitsfirma gearbeitet.
Robin hilft Strike auch als Undercover-Einkäuferin in einer Edelboutique. Lustig ist, dass „Robert Galbraith“ als angeblich männlicher Autor mit militärischer Vergangenheit eine erstaunliches Auge für Modedesign mitbringt. Letztlich ist es ein Kapuzen-Sweater auf einer Überwachungskamera, der den Täter überführt . . .
[kein Linktext vorhanden]Rowling spendet Buch-Erlöse
Warum hat Rowling diesen wirklich guten Krimi unter Pseudonym geschrieben? Wer den Krimi liest, ahnt, dass Rowling um die Schattenseiten des Rampenlichts nur allzu gut weiß. Sie wollte, sagt sie selbst, schauen, ob der Zauber ihrer Kunst auch ohne Marketingmaschine wirkt – „ohne den Hype“. Bemerkenswert in einer Zeit, in der Ruhm und Geld so viel gelten. Die Tantiemen fürs Buch sowie die Entschädigung der Kanzlei, die „Rowlingleaks“ verantwortet, wird J.K. Rowling für die Organisation „The Soldiers Charity“ spenden, die britische Soldaten unterstützt – und die ihr geholfen hat, Robert Galbraith und seinen Helden Strike zu erfinden.
Nun bleibt nur zu hoffen, dass dieser Galbraith weitere Krimis schreibt. Das Talent hätte er.