Essen. Otto Berenbrock wurde bekannt als Zeichner von Kumpel Anton. Dabei war er moderner Maler, der bei Klee und Kandinsky am Bauhaus gelernt hatte.
Otto Berenbrock war der Zeichner, der „Kumpel Anton“ ein Gesicht gegeben hat. Der Mann, der ein Vierteljahrhundert lang als Grafiker bei der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ gearbeitet hat, verdoppelte mit seinen unvergessenen Zeichnungen die Komik der beliebten Wochenend-Kolumnen von Wilhelm Herbert Koch. Was aber über die Jahrzehnte in Vergessenheit geriet: Otto Berenbrock war ein echter, ja großer Künstler.
Berenbrock hatte, was in den 50er-Jahren kaum noch jemand wusste und erst recht niemand zu schätzen wusste, von 1926 als Student Nr. 86 am Bauhaus in Dessau studiert, der Avantgarde-Kunstschmiede seiner Zeit. Hatte Grundkurse bei dem in Bottrop geborenen Hans Albers und lernte „Freie Malerei“ bei Paul Klee und Wassily Kandinsky. Berenbrock sollte bis an sein Lebensende am Silvesterabend des Jahres 1985 malen und aquarellieren, zeichnen und collagieren.
Ein durch und durch moderner Künstler, der die Schule des Bauhauses tief verinnerlicht hat und auch in den Nazi-Jahren noch lange Zeit abstrakt malte – da war dieser Stil, diese Machart schon längst im Propaganda-Trommelfeuer von Goebbels und Hitler als „entartete Kunst“ verteufelt. Und nach dem Krieg? Blieb der Maler, der veritable Künstler Berenbrock im Schatten des Grafikers Berenbrock.
Die wenigen heute noch lebenden Redakteure, die bei der „Westdeutschen Allgemeinen“ noch mit ihm zusammengearbeitet haben, schütteln beinahe ungläubig den Kopf, wenn sie von der Künstler-Seite, von Gemälden und Gouachen ihres Grafiker-Kollegen hören: „Vielleicht reden Sie da ja von einem anderen Berenbrock“, stutzte sogar einer von ihnen.
Geboren im Kaiserreich
Wilhelm Gerhard Otto Berenbrock erblickt im Kaiserreich 1907 als Sohn eines Friseurs in Essen das Licht der Welt. Über seine Kindheit ist wenig bekannt, seine Künstler-Biografie beginnt als 16-Jähriger mit einem Studium an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Essen, aus der 1927 die Folkwangschulen hervorgehen werden. Hier lernte Berenbrock drei Jahre lang vor allem bei den fortschrittlichen Professoren Karl Kriete (ein Expressionist, der dekorative Malerei lehrt) und Josef Urbach (Naturstudien), die später von den Nazis verfolgt werden. Mit ihnen wird Kunst auch für Otto Berenbrock mehr als eine bloße Dekoration. Sie soll eine Antriebskraft im alltäglichen Leben der Menschen werden.
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Die folgenden vier Jahre am Bauhaus brachten Berenbrock nicht nur Begegnungen mit Georg Muche (der später in Krefeld lange Textilkunst unterrichtete) und László Moholy-Nagy, sondern auch mit Hinnerk Scheper, dem Lehrer für Wandmalerei. Und: 1928/29 ist Berenbrock mit seinen Werken in der Gemeinschaftsausstellung „junge bauhaus-maler“ vertreten, die von Halle/Saale nach Braunschweig, Erfurt und Krefeld reist und auch im Essener Folkwang gezeigt wird.
Berenbrocks frühe Bilder sind deutlich beeinflusst von Klees kindlich-fröhlicher Formensprache und Kandinskys Abstraktion, zum Teil in erfrischender Durchmischung. Rasch spiegelt sich auch der Zeitgeist der späten Weimarer Republik in den Arbeiten, ausgelassen tanzende Menschen, Jazzmusiker, menschliche Nähe in Paar-Studien mit kubistischen Elementen.
Der Künstler lässt sich im letzten Studienjahr von einem Paris-Aufenthalt inspirieren und lebt dann für einige Monate mit seinen Bauhaus-Freunden Rudi Sander und Henri Barth wechselweise in Berlin und Paris, lernt dort die Surrealisten kennen. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise treiben ihn aber doch zurück in seine Heimatstadt Essen. Hier arbeitet er für diverse Zeitschriften und Zeitungen, heiratet, eine erste Tochter wird geboren. Schließlich wird er mit 33 Jahren als Soldat zur Wehrmacht eingezogen, „überwintert“ aber hinter den Linien der Ostfront als Kriegsmaler, wie der spätere „Boot“-Autor und Kunstsammler Lothar-Günther Buchheim oder auch Thomas Grochowiak, der „Junger Westen“-Maler und ewige Direktor der Kunsthalle Recklinghausen. 20 seiner Arbeiten aus dieser Zeit befinden sich heute im Deutschen Historischen Museum in Berlin.
Malerei am Wohnzimmertisch
Sofort nach Kriegsende beginnt Berenbrock wieder frei zu malen, zunächst in Trendelburg bei Kassel, wohin seine Familie vor den Bomben aus Essen floh. Hier wird er Mitglied einer hessischen Künstlervereinigung, illustriert wieder, etwa einen Sammelband mit Tierfabeln, und sucht Kontakt zu dem in die USA emigrierten Bauhaus-Chef Walter Gropius, der ihm zu einer Greencard verhelfen soll, Berenbrock ist bereit, auszuwandern. Schließlich kehrt er aber doch wieder in seine Heimatstadt Essen zurück. Und wird hier im April 1949 als Grafiker und Illustrator bei der ein Jahr zuvor gegründeten „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ angestellt, wo auch der spätere Restaurant-Kritiker Wolfram Siebeck illustriert. Berenbrock zeichnet Karikaturen, Illustrationen zu Fortsetzungsromanen oder auch Szenen aus Gerichtsverhandlungen.
Weil er oft mehrere Zeichnungen von ihm in einer einzigen Zeitungsausgabe gedruckt werden, nutzte er Pseudonyme wie „Paulat“ (der Mädchenname seiner Frau), „Per“ oder „Janos“ (Namen der Enkel). Berenbrock illustriert ab 1954 „Kumpel Anton“, seine Adenauer-Karikaturen landen in Sammelbänden, er ist bei der Zeitung vielbeschäftigt bis zu seinem Ruhestand 1975. Das Malen muss er in die Freizeit verlegen; bis 1952 malt er auf dem alten Wohnzimmertisch aus Eiche, weshalb die Formate eher klein bleiben. Dann aber bot sich die Möglichkeit, gleich nebenan ein Atelier anzumieten. Berenbrock wird wieder ein Abstrakter, Picasso fest im Blick, auch das Informel, die aktuelle Malerei der Zeit. Er experimentiert, arbeitet oft mit Mischtechniken auf Zeichenkarton, Gemälde in Öl oder später Acryl entstehen eher selten, dieses Genre kommt ihm vielleicht nicht modern genug vor, vielleicht waren ihm auch die Farben zu teuer.
Wenig Galerie-Kontakte
Inzwischen Mitglied im Wirtschaftsverband Bildender Künstler, nimmt Berenbrock verstärkt teil an Gemeinschaftsausstellungen im Düsseldorfer Kunstpalast, in der Essener Gruga. In seiner Heimatstadt zeigt er aber auch Einzelausstellungen, etwa im Forum Bildendender Künstler oder beim Ruhrländischen Künstlerbund. Aus der ständigen Ausstellung im Haus der Industrieform erwarb die Stadt Essen sein Werk „Karfreitag II“.
Aber Berenbrock hatte keine engen Kontakte zu einer Galerie, die sich für ihn einsetzte. „Und er selbst war zu zurückhaltend, ja leise. Ein sehr angenehmer, humorvoller Typ“, sagt sein Schwiegersohn Rainer Scherzberg. Der Witwer ist Grafiker wie Berenbrocks jüngere Tochter, die er in der Werbeabteilung eines Essener Konzerns kennen und lieben lernte. Seit einigen Jahre arbeitet er an einem Verzeichnis der Werke, das bislang 341 Positionen umfasst (siehe Kasten rechts). Dass sich Otto Berenbrock als Maler nicht durchgesetzt hat, könnte auch an seiner Wesensart gelegen haben: „Er war einfach immer zu bescheiden,“ sagt Rainer Scherzberg. Keine guten Voraussetzungen, um berühmt oder auch nur bekannt zu werden. Dabei hätte es sein Gesamtwerk mehr als verdient.