Paris.. Sie war einst die „schwarze Sonne von Paris“ und ist heute immer noch die große Dame des französischen Chansons. Und zum letzten Mal auf Tournee

Tiefschwarz geschminkte Augen, pechschwarzes Haar, schwarze Kleidung – nie hat das Publikum Juliette Gréco anders zu Gesicht bekommen. Das galt schon in der Kellerdiskothek „Tabou“ im Pariser Künstlerviertel Saint-Germain des Prés, als die Bohème der Hauptstadt mit Haut und Haaren der sinnlich-verruchten Ausstrahlung dieser zierlichen Frau mit ihrer tiefen Stimme verfiel. Und das gilt heute immer noch, wo die große Dame des französischen Chansons auf ihrer Abschiedstournee „Merci“ ein letztes Mal durch Frankreich und Europa tourt.

„Die Entscheidung, die Bühne aufzugeben, ist sehr schmerzhaft für mich“, erklärte die 88-jährige Künstlerin im März. Doch sie wolle lieber mit Eleganz abtreten, als das Spektakel einer alten Frau abzugeben, die nicht loslassen könne. Ihre Fangemeinde freilich traf diese Ankündigung schon deswegen wie ein Schock, weil die Gréco, deren bekannteste Chansons wie „Déshabillez-moi“ (Entkleide mich) oder „Parlez-moi d’amour“ (Sprich mir von der Liebe) Generationen begleitet haben, längst als unsterblich galt.

Sartre, Camus und Miles Davis

Doch dass „die schwarze Sonne von Paris“ – so wurde sie in den 50er- und 60er-Jahren genannt – immer noch glüht, bewies die Gréco mit dem Tourneeauftakt am 24. April beim Musikfestival Printemps im zentralfranzösischen Bourges. Wie früher ziehen die Klasse, die Bühnenpräsenz und die offenbar von der Zeit unangreifbare Stimme der Sängerin das Publikum vollkommen in ihren Bann. Nur kurz vor Schluss versagt der Gréco die Stimme. Sie muss ihren Auftritt abbrechen. Ein Schwächeanfall? „Nein“, entschuldigt sie sich wenig später — „mich haben einfach die Emotionen überwältigt.“

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Ihr Manager bestätigte gerade erst, dass die Gréco alle Tourneedaten aufrecht erhält. Zu ihnen zählt auch der einzige und letzte Auftritt in Deutschland am 10. Mai in der Alten Oper von Frankfurt am Main. Dort soll sich ein Bogen schließen, der bis ins Jahr 1959 zurückreicht – da trat sie als eine der ersten Französinnen im Land der „Erbfeinde“ auf. Keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht für die Gréco. Wie ihre Mutter und ihre Schwester ist sie im Widerstand gegen die Nazi-Besatzung Frankreichs aktiv gewesen. Mit 15 Jahren wurde sie von der Gestapo in Paris festgenommen, wenig später aber wieder freigelassen. Mutter und Schwester hingegen wurden deportiert; sie überlebten beide das KZ Ravensbrück.

Muse der französischen Existentialisten

Es war im Paris der Befreiung, in der die wilde Gréco damals zur Muse der französischen Existenzialisten aufstieg – zu einem Symbol der freien Liebe. Vergessen hat sie das „herrliche“ Lebensgefühl jener Zeit nie: „Es war ja nicht nur die Befreiung von den Deutschen. Es fand eine sanfte Revolution statt, ein Umsturz aller Sitten, Konventionen und Mentalitäten.“ Und mittendrin die junge Sängerin des „Tabou“, deren Talent zuerst dem Philosophen Jean-Paul Sartre auffiel. Sartre gehörte zu den ersten Förderern der Gréco und schrieb – wie wenig später auch die Schriftsteller Françoise Sagan, Jacques Prévert, François Mauriac oder Albert Camus – Chansontexte für sie.

Der Durchbruch kam rasch, aus der schwarzen Sonne von Paris wurde die Gréco. „Die“ wie bei Piaf, bei Garbo, bei Callas. Doch trotz zahlreicher Hits erreichte die Gréco nie die überragende Popularität. Dafür waren ihre Lieder zu politikhaltig, setzten zu viel Intellekt vor­aus. Die lange Karriere der Gréco ist von Höhen und Tiefen, Abstürzen und Comebacks gezeichnet. Gleiches gilt für ihr bewegtes, von stürmischen Liebschaften wie der mit dem Jazz-Trompeter Miles Davis und drei Ehen (unter anderem mit Michel Piccoli) geprägtes Privatleben.