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Die deutsch-türkische „Buchmesse Ruhr“ geht in die fünfte Runde. Fikret Günes ist ihr Macher. Die türkische Literatur habe sich internationalisiert, die Erzähltechniken hätten sich angeglichen, findet er. Und ruft das Motto 2010 aus: „Liestanbul“.

Reisen bildet überhaupt nicht. Fikret Günes hat den Beweis: „Millionen Deutsche machen Urlaub in der Türkei – und wenn man sich dann die Vorurteile ansieht...“ Hätten all diese Touristen auch nur ein einziges Mal den Roman eines türkischen Autors gelesen, wie viel mehr hätten sie über dieses Land erfahren.

Logisch, dass Günes so denkt: Der 35-Jährige handelt mit Literatur, nicht mit Flugtickets. Vor fünf Jahren eröffnete er eine Buchhandlung in Dortmund und lud kurz darauf tollkühn zur ersten deutsch-türkischen „Buchmesse Ruhr“ – ein finanzielles Desaster, er war unerfahren. Am Freitag startet das Festival der Bücher zum fünften Mal, ausgedehnt auf zehn Tage und mehrere Städte, mit Lesungen hochkarätiger Autoren (siehe Kasten), Geldspritzen zahlreicher Sponsoren und der Unterstützung aus Politik und Kultur. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider ist Schirmherr des Ganzen und die Kulturhauptstädte dies- und jenseits des Bosporus schmücken ihr Programm mit dem Event, das sich wiederum mit dem Motto „Liestanbul“ in den derzeitigen Hype um die hippe Stadt am Horn einreiht.

Die türkische Literatur hat keine Lobby in Deutschland

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Mit der Buchmesse, die Günes mit dem Verein „Interkulturelles Bildungszentrum“ ins Leben rief, will er für die Schönheit der türkischen Literatur werben. Nicht nur beim Publikum, auch bei Verlegern. Denn die Titel hätten es schwer, auf einem der raren Plätze in Buchhandlungen präsentiert zu werden. Dabei müsse niemand Angst haben, dass ein Roman aus türkischer Feder zu fremdartig, zu exotisch für hiesige Leser wäre.

Wenig Exotik

„Die Literatur hat sich internationalisiert, die Erzähltechniken haben sich angeglichen“, sagt Günes. Vorbei die Zeiten der 20er-Jahre, in denen die neu gegründete Republik ihr Bild vom modernen Türken zwischen Buchseiten presste, die von Lyrik geprägten Jahre darauf, die 50er, in denen das anatolische Dorf als Thema entdeckt wurde, und die für Schriftsteller gefährlichen 70er, in denen der Putsch und seine politischen Folgen kaum Raum ließen für Phantasie und Leichtigkeit.

Heute, so Günes, schreibt eine Generation von Autoren, die gebildet ist und vertraut mit der Weltliteratur. Schreibt über Themen, die übertragbar sind auf andere Lebenswelten. Ob Istanbul, Bombay oder New York, spiele nur noch eine Nebenrolle. Doch auch bei den Stars der jungen Szene wie Elif Shafak und Murat Uyurkulak scheinen sie immer noch durch, die typisch türkischen Themen: soziale Ungerechtigkeiten und interkulturellen Konflikte.

Womit sich der Kreis zu Deutschland schließt, wo Thilo Sarrazin für Fikret Günes den besten Beweis dafür erbracht hat, dass Geschriebenes noch immer Diskurse bestimmt: „Er hat ein Buch geschrieben, und das hat das ganze Klima im Land vergiftet“. Eine gute Nachricht für das von Günes geliebte Medium, eine schlechte für den Frieden in dem Land, das seit 20 Jahren seine Heimat ist. Mit der Buchmesse will er zeigen, dass Literatur auch anders kann.