Bochum..
Der Regisseur David Bösch seziert im Schauspielhaus Bochum Shakespeares „Sturm“ wie ein Pathologe und kümmert sich vorrangig ums tragische Personal, für das es keine Hoffnung mehr gibt.
Das Stück mag „Der Sturm“ heißen, Shakespeare jedoch kann man hier eigentlich nur noch als Ideengeber bezeichnen. Zu viel Text hat Regisseur David Bösch versenkt, zu viel umgestellt und hinzugefügt, bis endlich das herausgefiltert ist, was ihn einzig interessiert: das Porträt zweier unterdrückter Fabelkreaturen auf einer Zauberinsel, von der es kein Entrinnen gibt.
Verrat und Bruderzwist
Angeblich ist „Der Sturm“ das letzte Werk des englischen Großdramatikers, handelt von Verrat, Bruderzwist, dem Erlangen übernatürlicher Kräfte und schließlicher Vergebung aller Schandtaten. Ursprüngliche Hauptfigur ist Prospero, Herzog von Mailand, mit seiner Tochter auf dem Meer ausgesetzt und nun so etwas wie der Herrscher auf einer einsamen Insel voll von mythologischen Wesen.
Bei Bösch ist es ein Stück über die Kolonialisierung eines Feen- und Märchenreichs durch einen Mann europäischer Prägung. Mit frisch angeeigneter Zauberkraft tyrannisiert er nun den Luftgeist Ariel und den missgebildeten Caliban, halb Mensch halb Fisch. Ariel kann längst nicht mehr fliegen, weshalb er sich an Caliban schadlos hält. Bis beide so etwas wie Solidarität entwickeln, vergeht viel Zeit.
Viel Armrudern, trotziges Aufbegehren
Ariel mag bei Shakespeare ein fragiles Wesen androgynen Zuschnitts sein, hier hat es die schlaksige Gestalt von Nicola Mastroberardino, der seiner Verzweiflung durch viel Armrudern, trotzigem Aufbegehren und übermäßigem körperlichen Einsatz Ausdruck verleiht. Im Kontrast dazu wirkt die Ohnmacht Calibans (großartig: Florian Lange) von geradezu irdener Schwere. Mühsam schleppt er sich über den Bühnenstrand von Dirk Thiele, brüllt „Freiheit!“ und hängt dann doch nur wieder jedem an, der nett zu ihm ist.
Versteht man Theater als magischen Ort, dann ist man bei Bösch gut aufgehoben. Er ist der Bilderträumer und Pathologe, der ein Stück intensiv seziert, bis er gefunden hat, was ihn umtreibt. Die gestrandeten Menschen sind es hier sicherlich nicht, nicht einmal Prospero (Klaus Weiss), der achtlos seinen finalen Monolog vernuscheln muss. Seine Liebe gehört den Unterdrückten, die Freiheit selbst dann nicht erfahren, wenn man sie ihnen schließlich schenkt. Ein anrührendes finales Bild der Vergeblichkeit tröstet den Zuschauer dabei über manche blutige Ekelszene oder Zombie-Anleihe hinweg.