Düsseldorf. Möglichst viel Welt in sechs Minuten. Bei den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in Düsseldorf hat der Stuttgarter Philipp Scharrenberg gewonnen. Siegerin im U20 Finale wurde Yasmin Hafedh aus Österreich und Theresa Hahl aus Heidelberg überschattete sich selbst.

„Wenn man 2500 Jahre über das Leben nachgedacht hat, darf man zugeben, man kriegt das Rätsel nicht hin.“ Sagt der Slam-Poet Sebastian23 über Philosophie und versucht es dann in sechs Minuten. Natürlich ist das zum Scheitern verurteilt, aber wenigstens der Prozess macht Spaß. Denn darum geht es ja: In kurzer Zeit möglichst viel Welt unterzubringen. Und als wäre das nicht schon schwer genug, gilt: „Keine Requisiten wie lustige Hüte oder langweilige Tiere.“ Dazu mahnt Moderator Markim Pause noch einmal vor 1000 Menschen im Düsseldorfer Schauspielhaus. Na dann: Herzlich willkommen bei „slam2009“, den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften.

Die Kraft der Worte, in Düsseldorf kann man sie drei Tage lang förmlich spüren. In 18 Vorrunden, bei drei Wettbewerben mit 250 Teilnehmern aus Deutschland, Österreich, Schweiz und angeblich auch aus Liechtenstein. Wer hier antritt, hat es in seiner Stadt bereits geschafft, hat sich im lokalen Wettbewerb gegen andere Dichter durchgesetzt. Man ist ausreichend eitel, seinen Text auf der Bühne vorzutragen, aber auch Szene genug, um gemeinsam für ein Literatur-Genre zu kämpfen, das irgendwo zwischen Comedy, Kabarett und Rap liegt. Und doch ganz woanders.

Eine Übung zum Freistrampeln, Herumspinnen, Ausprobieren

Beim Team-Wettbewerb ist es manchmal nah am Schauspiel. Zwar ohne Requisiten (keine lustigen Hüte, keine langweiligen Tiere), aber oft mit verteilten Rollen. Zum Beispiel bei PauL (Poesie aus Leidenschaft), den Gewinnern im Team-Wettbewerb und ihrer Selbsthilfegruppe für Banker („Habgier ist kein Imperativ“). Smaat hingegen ist so eine Art Basketballmannschaft der Poesie und landet beim Powerplay der Worte einen Treffer nach dem anderen: „Bäume sind Büsche auf Balken“; „Flüsse sind Meere auf Reisen“; Igel sind Kakteen, die gehen“.

Einigen Texten merkt man an, dass Poetry Slam für Germanistikstudenten ungefähr das gleiche sein muss wie der P.M.-Logiktrainer für Mathematikstudenten. Eine Übung zum Freistrampeln, Herumspinnen, Ausprobieren. Oft geht es einfach nur um den Sound der Worte, mal um unverschämte Versmaßlosigkeit, dann wieder um Konsonantenkonzentration. Fast immer geht es aber auch, doch wirklich, um Inhalte.

Die unterscheiden sich je nach Wettbewerb. Beim Einzelwettbewerb ist es in den Vorrunden oft Kapitalismuskritik, noch öfter Gesellschaftskritik, sehr sehr oft geht es ums Internet. Da sind die Teilnehmer zwischen Mitte 20 bis Mitte 30 und fast immer männlich.

Wortgewaltig, witzig, hervorragend im Vortrag




Beim U20-Finale stellen die jungen Frauen immerhin ein Drittel des Teilnehmerfeldes. Und so können wir so herrlich lakonische Sätze von Theresa Hahl aus Heidelberg hören wie: „Ich hatte noch nie einen Sonnenbrand, weil ich mich selbst überschatte.“ Am Ende gewinnt aber die Österreicherin Yasmin Hafedh mit einem Brief an den Einbrecher, der nichts geklaut hat („Wie findest Du die Wohnung?“) und der Mahnung an sich selbst: „Du studierst Theaterwissenschaft und Philosophie in Wien. Du darfst nicht glücklich sein.“ Ist sie dann aber doch.

Genau wie Philipp Scharri Scharrenberg aus Stuttgart, der den Einzel-Wettbewerb mit einem furiosen Lauf durch drei Finalrunden gewinnt. Wortgewaltig, witzig, hervorragend im Vortrag. Die siebenköpfige Jury, zufällig im Publikum verteilt, konnte gar nicht anders. Besonders seine liebevolle Parodie auf andere Slam-Szenegrößen führte zum frenetischen Jubel im Schauspielhaus. Da war sein Text über Hypochondrie („Gesundsein ist so 2008“, „Immunwalk“, „Bürger mit Infektionshintergrund“) in der Endrunde fast schon Zugabe.

Passend zur Kulturhauptstadt findet die deutschsprachige Meisterschaft im nächsten Jahr in Essen, Dortmund und Oberhausen statt.

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