Wuppertal. Viele Ungenauigkeiten, verwaschene Passagen und verstolperte Töne: Trotzdem wurde Igor Levit beim Klavierfestival Ruhr 2021 vom Publikum gefeiert.

Man mag zum Medien-Hype, den Igor Levit als Musiker und moralischer Botschafter umgibt, stehen, wie man will. Was seine Konzertprogramme und seinen Umgang mit der Musik angeht, hat er sich bisher von populistischen Extravaganzen fernhalten können. Sowohl seine außergewöhnliche Begabung als auch seine künstlerische Seriosität stehen außer Zweifel. Die Gefahr, wie sein ähnlich begabter Kollege Ivo Pogorelich in abgehobene stilistische Sackgassen und Abwege abzugleiten, scheint ihn bisher nicht zu bedrohen.

Auch bei seinem 15. Auftritt im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr erlebte das Publikum in der „ausverkauften“ Historischen Stadthalle von Wuppertal zunächst den gewohnten Levit, der das Klavierstück in es-Moll aus den Drei Klavierstücken D 946 von Franz Schubert unprätentiös, schlicht und sensibel vortrug. Mit viel Feingefühl für den melodieverliebten Mittelteil und einer feinen Abschlagskultur.

Levit lässt zuweilen stilistische Unausgewogenheit erkennen

Ein Eindruck, der sich beim Hauptwerk des Abends nicht wiederholen sollte. Zwar kommen die Ansprüche an Franz Liszts Transkriptionen der Symphonien Ludwig van Beethovens, orchestrale Opulenz mit einer schlankeren Transparenz der Stimmverläufe zu kombinieren, ohnehin einer Quadratur des Kreises gleich. Die stilistische Unausgewogenheit, die Levit in der besonders ausladenden 3. Symphonie, der „Eroica“, erkennen ließ, irritierte jedoch. Es ist zwar geboten, die enorme dynamische Bandbreite des Werks auszuspielen. Aber nicht zu überdrehen wie Levit, der die Höhepunkte vor allem der Ecksätze geradezu aufdonnerte, wobei er auch die Tempi der Läufe bis zur Unkenntlichkeit anzog.

Ungenauigkeiten, verwaschene Passagen und verstolperte Töne

Derart viele Ungenauigkeiten, verwaschene Passagen und verstolperte Töne waren bisher nur selten von ihm zu hören. Den formalen Zusammenhalt der vier Sätze zerstörte er dann vollends, indem er den Trauermarsch in derart breitem Zeitlupentempo anstimmte, dass er den langsamen Marsch-Duktus zum Stillstand brachte. In dieser zähen Schwerfälligkeit wirkte der Satz isoliert ohne Bezug zum Rest der Symphonie. Der Umschlag in ein aberwitziges Tempo für das folgende Scherzo überforderte selbst Levits technische Möglichkeiten. Er stieg aus und musste neu ansetzen. An sich keine Katastrophe, in diesem Fall aber ein Zeichen für die Unausgewogenheit seiner Interpretation.

Levits Auftritt hinterlässt zwiespältigen Eindruck

Diesem Gewaltakt dann noch als Zugabe einen schlichten, absolut deplatzierten Walzer von Schostakowitsch anzuhängen, unterstreicht den zwiespältigen Eindruck, den Levits Auftritt hinterließ. Was der Begeisterung des Publikums freilich keinen Abbruch tat.