Münster. Die Ausstellung „Passion Leidenschaft“ neigt sich dem Ende zu. Rein darf niemand, digital kann sie noch zwei Wochen betrachtet werden.

Freude, Enttäuschung, Hoffnung, Resignation – die Arbeit an der Ausstellung „Passion Leidenschaft“ war auch für die Kuratorin ein Wechselbad der Gefühle. Noch zur Eröffnung der Sonderschau im Oktober gab Dr. Petra Marx zu Protokoll: „Ich bin sehr glücklich, dass wir diese Ausstellung trotz der Pandemie realisieren konnten.“ Doch schon nach nur drei Wochen folgte der Schock des Lockdowns – und wohl auch ein bisschen Ärger: „Zuerst hatte ich wenig Verständnis, dass wir das Museum schließen mussten. Da war ich noch in einem Baumarkt und habe gesehen, wie viele Menschen dort waren – und wir hätten ja nur eine sehr begrenzte Anzahl von Personen in die Ausstellung gelassen.“

Bald schon ging es den Heimwerkern aber nicht besser als den Kunstinteressierten. Und auch die Hoffnung der Ausstellungsmacherin auf eine Lockdown-Lockerung wich schließlich der Einsicht, dass die Schau zur „Kunst der großen Gefühle“ ihre Türen für Besucher gar nicht mehr öffnen können wird. Es fällt nicht schwer die Frustration darüber nachzuvollziehen. Immerhin hat die Vorbereitung der zwei Jahrtausende umfassenden Retrospektive drei Jahre in Anspruch genommen – eine Arbeit, die zudem nicht ohne Herzblut auskam.

Werke von Rubens, Rodin, Edvard Munch


„Wir haben lange gezittert“, erinnert sich Petra Marx etwa an das Bangen, ob die kostbaren Leihgaben aus diversen europäischen Museen auch rechtzeitig eintreffen. Entsprechend groß die Freude, wenn die Spediteure klingelten und ihre wertvolle Fracht ablieferten. Werke von Rubens, Rodin, Edvard Munch – oder jenem unbekannten Meister, der um 1700 den so naturalistisch und lebensgroß leidenden „Christus an der Geißelsäule“ schuf. „Er kam aus Stuttgart, lag in seiner Kiste wie in einem Sarkophag. Sie zu öffnen, das war ein großer emotionaler Moment,“ so die Kuratorin im Rückblick.


Noch bis zum 14. Februar steht er da, der Gegeißelte. Dann muss er wieder in den Transport-Sarg und zurück zum Leihgeber, genau wie viele, viele weitere Exponate. Eine Verlängerung der Schau – mit einem hoffenden Blick auf Lockerungen im Frühjahr – ist deshalb ausgeschlossen, das Ende fix. Bis dahin sollen dennoch so viele Interessierte wie möglich in die Gefühlswelten der verschiedenen Kunstepochen eintauchen dürfen – zur Not halt digital. Auch wenn dies das gut drei Monate alte Eröffnungsstatement von Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold nicht ohne ein bittere Prise Ironie konterkariert: „Die Ausstellung lädt alle ein mitzufühlen ... Und das ganz analog.“


Aber Jammern nutzt ja nichts und deshalb gehen Petra Marx und das Museumsteam nun eben mit dem Tablet durch die Räume und fokussieren, was Künstler aller Zeiten an Emotionen gemalt und modelliert haben. Los ging’s u.a. mit Liveführungen auf Instagram, zuletzt kamen auch Zoom-Führungen dazu, die einen noch besseren Austausch ermöglichen.

Entdeckung von Aristoteles Schriften beeinflusste die Kunst der Mundwinkel


Auch die Kuratorin führt digital durch die Schau, die sie zusammengestellt hat – und beginnt stets bei der berühmten Laokoon-Gruppe aus der griechischen Antike. Im Entree der Ausstellung empfängt ein Abguss des Originals die Besucher mit der marmornen Verzweiflung des sich im Todeskampf aufbäumenden Laokoons und seiner Söhne. In der Renaissance wiederentdeckt, wurde das Werk zum Vorbild für die Ästhetisierung großer Gefühlsaufwallungen.

In der mittelalterlichen Kunst war es zuvor so eine Sache mit den Emotionen – zumindest mit einer uns heute so harmlos erscheinenden: der Heiterkeit. Schon Umberto Ecos „Der Name der Rose“ hat uns ja gelehrt: Die Kirche mochte das Lachen nicht, nur der Teufel zeige seine Zähne auf diese Weise, so fand der Klerus. Als man im 13. Jahrhundert jedoch die Lehren der antiken Denker wiederentdeckte, etwa die Schriften des Aristoteles, kam Bewegung in Kunst und Mundwinkel. Davon zeugt in der Ausstellung etwa ein still lächelndes Steinhaupt aus dem 13. Jahrhundert oder die zuversichtlich-freudige St. Ursula, wie sie ein Reliquiar aus dem 14. Jahrhundert darstellt.

Bilder von Liebesszenen Fiammingos


Natürlich freute sich Ursula auf das Paradies, denn darum ging es stets im Mittelalter. Vor die Erlösung hat der liebe Gott jedoch die Leiden seines menschgewordenen Sohnes gesetzt, entsprechend wurde sie zum Hauptmotiv mittelalterlicher Künstler. Bilder und Skulpturen der Passion Christi schmücken einen ganzen Raum der Schau. Der gemarterte Jesus und die trauernde Mutter sollten zum Mitleiden anregen und bewegen den Betrachter noch heute. Von hier hat die Schau auch ihren Namen: „Passion“, einst Leidensgeschichte Christi, kennen wir Heutigen als „Leidenschaft“ für etwas. Erst im 17. Jahrhundert erfindet ein Schriftsteller das Wort als Übersetzung für Passion.


Was spätere Generationen und noch wir unter Leidenschaft an sich verstehen, ist im „rosaroten Herz der Ausstellung“, so Petra Marx, zu bestaunen. Rosarot sind hier die Wände, die Bilder wie die üppigen Liebesszenen Fiammingos tragen. Im 16. Jahrhundert gewährte der schwerreiche Besitzer Hans Fugger wohl nur privilegierten, männlichen Gästen einen anregenden Blick darauf.


In sechs Räume und Kapitel hat die Kuratorin ihre Kunstgeschichte der Gefühle aufgeteilt. Obwohl selbst Mittelalter-Expertin, lässt sie die Moderne nicht zu kurz kommen. Nach Jahrhunderten, in denen der männliche Blick auf die Körpersprache der Frau dominierte, verschafft endlich auch die weibliche Perspektive Raum. Letzterer der Ausstellung ist deshalb ganz Künstlerinnen gewidmet – die mit ihren Selbstporträts auf vielfältige Weise Gefühle zeigen.

Info: 

Instagram: Mittwochs 18.30 Uhr Live-Tour durch die Ausstellung.

Donnerstags 17 Uhr Live-Tour mit Kuratorin Dr. Petra Marx.

Zoom: Mo-So zwischen 8 und 20 Uhr Gruppen-Führungen für 50 € buchbar (u.a. mit Dr. Petra Marx). Anmeldung: Tel. 0251/ 5907 201 oder E-Mail besucherbuero@lwl.org. Öffentliche Zoom-Führungen, kostenlos und ohne Anmeldung: 2.2. + 9.2. (11.30 Uhr) & 7.2 + 14.2 (16 Uhr) mit Dr. Petra Marx; 5.2. + 12.2, 19 Uhr mit Kunstvermittler/in. „Finale der Gefühle“: 11.2. (18:30 Uhr) Fazit mit Dr. Petra Marx und Direktor Dr. Hermann Arnhold.

Der Katalog zur Ausstellung kann für 29 € (zzgl. Versand) unter Tel. 0251/ 5907 220 oder birgit.niemann@lwl.org bestellt werden.

Weitere Infos und Links zu den öffentlichen Zoom-Führungen auf www.lwl-museum-kunst-kultur.de.